Schule versagt
Die Bewertungen hatten gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Für das nächste Jahr setzten wir schon jetzt die nächste Learning-by-Doing-Woche an.
Ich hatte meine Absicht, eine Klasse zu leiten, umsetzen können. Jetzt würde ich EVA – und vielleicht noch mehr – wahrhaft erproben können! Während dieser zweiten Learning-by-Doing-Woche, in der ich aufgrund meiner Funktion als Klassenleiterin jeden Tag anwesend war, machte Sven Fotos von unseren Schülern und erstellte später daraus eine Zusammenfassung der Woche. Als ich zur Vorbereitung des Buches darin las, war ich berührt von dem kreativen Geist, der aus dieser kurzen Zusammenfassung der Woche sprach: Zur PIS A-Zeit bestehe das Schwarze Loch an den Schulen aus den Schülern von heute, den Lehrern von gestern und veränderten Anforderungen an die Ausbildung, die sich morgen bewähren muss, resümierte Sven. Damit nicht unbedarfte Anfänger in diesem Loch spurlos verschwinden, setzen wir vom ersten Tag an innovative pädagogische Methoden ein. Unsere Learning-by-Doing-Woche ist das Ergebnis der Kooperation von Kolleginnen und Kollegen aus beruflichen und allgemeinbildenden Fächern, gestützt auf gezielte Fortbildung. Letzteres stimmte zwar für meine Person nicht – Ilse und Hans hatten die PS E-Fortbildung gemacht, möglicherweise auch noch andere, ich aber nicht –, aber das Richtige und Wichtige an der Aussage waren die Begriffe Kooperation und, später, neues Denken: Ein erster Erfolg, aber eine ganze Serie muss folgen! Damit das klappt, muss das neue Denken auch den Unterrichtsalltag durchdringen. Wie recht er hatte! Svens Zusammenfassung verdeutlichte mir noch einmal, wie groß allein das zeitliche Engagement der Kollegen gewesen war: In die Vorbereitung und Nachbereitung der Learning-by-Doing-Woche waren insgesamt über 100 Arbeitsstunden der 8 unmittelbar engagierten Lehrer geflossen. Etwa 30weitere Stunden wurden in der Learning-by-Doing-Woche selbst eingebracht.
In den Jahren danach variierten wir die Trainingsspiele immer ein bisschen, je nach gemachten Erfahrungen. Da die Kollegen darauf bestanden, dass ich den EV A-Vortrag hielt – nur einmal hatte Ilse mich abgelöst –, variierte ich auch ihn von Jahr zu Jahr. Mir ging es immer so, dass ich mich in meinem eigenen Unterricht langweilte, wenn ich zwei- oder gar dreimal dasselbe in derselben Form anbot. Alles, was mit EVA zusammenhing, trug ich in den Unterricht hinein. Wir memorierten immer wieder unser gemeinsames Ziel und fragten uns, wo wir standen, wie viel Weg wir noch zurücklegen müssten. Das tat ich wohl als Einzige. Später, als wir nicht mehr so viele Schüler hatten wie in den Jahren zuvor, reduzierten wir die Zeit auf drei Tage. In diesen drei Tagen erprobten wir nach wie vor die drei Säulen von EVA, also Methoden-, Kommunikations- und Teamübungen. Einige Kollegen waren zeitweise hinzugekommen und nach ein oder zwei Jahren wieder gegangen. Der »harte Kern«, Carlo, Ilse, Herb, Raphael, Hans, Sven und ich, war über die Jahre geblieben.
Aber in den letzten zwei Jahren veränderte sich etwas. Von Ilse fielen Äußerungen wie: »Ich hab keine Lust mehr, die Schulentdeckung zu machen«, und wir ließen die Entdeckung weg und ersetzten sie durch andere kreative Übungen. Statt des todlangweiligen Markierens war ein Projekttag zu einem komplexen Thema angesetzt worden. Der Freitag, und später, in der Drei-Tage-Phase, der Mittwoch war ein »praktischer Tag« geblieben. Die Schüler bauten in Gruppen Maschinen, Bauwerke oder Brücken. So gesehen evaluierten, variierten und »entschulten« wir die Woche immer mehr. Das war keine schlechte Entwicklung. Im Gegenteil, die positive Reaktion der Schüler meiner und nachfolgender Klassen machte das sehr deutlich.
Aus der Rückschau betrachtet ging es aber nach diesem Höhepunkt der Variationsbreite und der Entfernung von Schulstrukturen abwärts. Es setzte so etwas wie ein Backlash ein. Allmählich, es war ein Prozess, kein plötzliches Ereignis. Herb übernahm, nicht ahnend, dass er bald darauf erkranken und für lange Zeit ausfallen würde, die neue Klasse. Es war sein Wunsch gewesen, seine Schüler bereits in der Learning-by-Doing-Woche durch praktischeÜbungsaufgaben zum Kennenlernen der Fehlzeitenregelung auf dieselbe aufmerksam zu machen und sie in ihrem Bewusstsein so zu verfestigen, dass er keine Schwierigkeiten mit unentschuldigten Fehlzeiten haben würde. Er ist immer noch derselbe, dachte ich,
Weitere Kostenlose Bücher