Schumacher, Jens - Deep
Sorry.«
»Schon in Ordnung, Rob.« Irving nahm das Schild entgegen und klatschte es an die Stahltür. In die Vorderseite waren die Worte »H EUTE GESCHLOSSEN « eingestanzt.
Der lockige Junge musterte Becca und Henry interessiert, dann verschwand er wieder im Innern des Hauses.
»Das dürfte es wohl gewesen sein, Herrschaften.« Irving nahm einen abschließenden Schluck Bier und machte Anstalten, die Tür zu schließen.
»Aus welchem Grund haben Sie eigentlich geschlossen, Mr Irving?«, erkundigte sich Becca freundlich. »Es ist ein normaler Werktag, allzu spät ist es auch noch nicht …«
»Betriebsprüfung«, gab Irving zurück, wobei er sich sichtlich bemühte, sein unechtes Lächeln aufrechtzuerhalten. »Das Finanzamt hat uns auf dem Kieker. Jeff und ich müssen unsere Buchhaltung der letzten drei Geschäftsjahre durchgehen und einiges aufarbeiten, sonst reißt uns die Behörde den Arsch auf.«
Die dicken Lippen in seinem Vollbart teilten sich zu einem Grinsen. »Das verstehst du doch sicher, Mädchen?«
Becca erwiderte sein Lächeln, runzelte dabei allerdings die Stirn. »Dann muss Ihr Betrieb wohl der einzige in ganz Cilacap sein, der Ärger mit den Behörden hat. Mein Onkel Harry sagt, verglichen mit den Verhältnissen in den USA herrschen hier Sodom und Gomorrha. Hier kommt jeder mit allem durch, sagt er.«
»So? Sagt er das, dein Onkel?« Irvings Lächeln zerbröselte, seine buschigen Brauen zogen sich wütend zusammen. »Macht, dass ihr wegkommt!«, brüllte er. »Ich habe gesagt, wir haben geschlossen, das bedeutet, ihr habt hier nichts zu suchen. Haut ab!«
Becca zuckte angesichts dieses unerwarteten Ausbruchs erschrocken zurück. Instinktiv trat Henry vor, um eingreifen zu können, falls Irving handgreiflich werden sollte. Doch der dicke Mann knallte lediglich die Tür hinter sich zu, dass es nur so krachte. Das Magnetschild löste sich, fiel zu Boden und blieb scheppernd vor Henrys Füßen liegen.
Sie kehrten I RVING & R UDD , T AUCHGÄNGE ALLER A RT den Rücken und schlenderten nebeneinander den Hafenpier entlang. Die tief stehende Sonne färbte Himmel und Meer in einem unnatürlichen Orangeton. Die Luft war mild und roch angenehm nach Salz.
»Was meinst du? Die haben doch Dreck am Stecken, oder?«, sagte Becca nach einer längeren Pause. »Fandest du nicht auch, dass sie sich total merkwürdig benommen haben?«
Henry nickte nachdenklich. »Nicht nur das. Sie haben definitiv gelogen, als sie behaupteten, sie hätten kein U-Boot gefunden.«
»Gelogen? Klar, sie haben den Eindruck gemacht, dass sie etwas vertuschen wollten. Aber woher willst du wissen, ob …«
Henry blieb stehen und grinste Becca an. »Hast du nicht gehört, was Rudd im Hintergrund gemurmelt hat? Das mit dem deutschen U-Boot? Du hattest das mit keinem Wort erwähnt, als du die Kerle danach gefragt hast.«
Becca riss überrascht die Augen auf. »Klar, davon wusste ich schließlich bis vorhin gar nichts.« Sie musterte Henry mit unverhohlener Anerkennung. »Gut aufgepasst. Das habe ich echt nicht mitbekommen.«
Langsam gingen sie weiter.
»Hast du gesehen, wie blass und fahrig Rudd war?«, wollte Becca wissen.
»Ja. Als hätte er Angst vor irgendwas.«
»Was könnte der Grund sein? Ob es etwas mit dem Wrack zu tun hat?«
»Vielleicht fürchtet er sich nur vor seinem Kollegen.« Henry fuhr sich ratlos mit der Hand durch die Haare, die sich nach dem Bad im Meerwasser steif und verklebt anfühlten. »Vor allem Irving schien verflixt darauf bedacht, nichts von seiner Entdeckung an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Bleibt die Frage: warum? Was hat er zu befürchten, wenn andere von dem gesunkenen U-Boot wissen? Haben die beiden Angst, dass ihnen jemand die Rechte an ihrem Fund streitig macht?«
Darauf wusste Becca keine Antwort.
»Ich habe gesehen, wie du vorgetreten bist, als Irving anfing rumzubrüllen«, sagte sie plötzlich. »Wärst du wirklich dazwischengegangen, wenn er versucht hätte, mir eine zu scheuern?«
Henry überlegte kurz. »Keine Ahnung«, antwortete er dann wahrheitsgemäß. »Aber da er’s nicht getan hat, ist das ja nicht weiter wichtig.«
Sie sah ihn einige Sekunden lang an, dann lächelte sie. »Für mich schon.«
»Schon unheimlich, wie er plötzlich ausgeflippt ist.« Henry runzelte die Stirn. »Er schien total unter Strom zu stehen …«
»Mein Dad ist kein schlechter Kerl, das müsst ihr mir glauben«, behauptete unvermittelt eine helle Stimme ganz in ihrer Nähe. »Aber wenn ihr
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