Schumacher, Jens - Deep
darzustellen. Zu Beginn stiegen mehrere der monströsen Kraken wesen auf die Erde herab, ein Dutzend ungefähr. Kurz nach ihrer Ankunft erschienen Hundertschaften der fischartigen Kreaturen auf der Bildfläche. Ich nahm an, dass es sich bei ihnen ebenfalls um eine Kaste von Dienern handelte, erschaffen oder herangezüchtet von den vielarmigen Giganten.
In den höheren Friesen folgten Abbildungen, die die Entwicklung der außerirdischen Kultur auf unserem Planeten zeigten. Hier tauchten erstmals stark vereinfachte Darstellungen von Tieren auf. Ich glaubte, Mammuts zu erkennen sowie möglicherweise ein Megatherium, ein eiszeitliches Riesenfaultier. Daraus schloss ich, dass diese Episoden auf wenige Jahrmillionen vor unserer Zeitrechnung zu datieren waren. Im weiteren Verlauf kamen Wesen hinzu, bei denen es sich um frühe Vorläufer des Menschen handeln musste. Damit schien das Zeitalter des Homo erectus javanicus erreicht, rund eineinhalb Millionenjahre vor unserer Zeit.
Erschüttert nahm ich zur Kenntnis, dass die Fischwesen alles andere als pfleglich mit unseren frühen Vorfahren umgingen. Sie schienen den javanicus als eine Art Clown zu betrachten. Die Abbildungen zeigen, dass sie ihn in vielen Fällen quasi als Haustier hielten. Auch opferten sie ihn in großer Zahl ihren formlosen Herren: Hundertschaften verschwanden in den klaffenden Mäulern der riesenhaften Kreaturen.
Die dargestellte Fauna veränderte sich, die Urmenschen schritten von Darstellung zu Darstellung aufrechter, woran sich abermals das Verstreichen der Zeit ablesen ließ. Mittlerweile hatte ich mich recht gut auf den ikonografischen Stil eingestellt, sodass ich die Details besser zu deuten verstand. In mehreren Abbildungen erkannte ich die Küstenlinien verschiedener Erdteile. So hatte es allem Anschein nach eine Metropole der außerirdischen Zivilisation in Zentralafrika gegeben, eine weitere im Nordosten der USA, dem heutigen Neuengland, eine in Sibirien sowie in weiteren Gegenden, die ich auf Anhieb nicht zuordnen konnte.
Die vielarmigen Giganten verließen ihre Territorien jedoch regelmäßig, um in weitem Radius auf die Jagd zu gehen. Und sie jagten unsere primitiven menschlichen Vorfahren! Die Kreaturen schienen über unheilvolle Kräfte zu verfügen, möglicherweise telepathische oder hypnotische. Ganze Stämme von Frühmenschen warfen sich ohne Zögern in ihre grundlosen Schlünde -freiwillig, ohne ersichtlichen Zwang. Weite Landstriche blieben nach solchen Besuchen entvölkert zurück.
Als ich in den höchstgelegenen Bilderreihen anlangte, bemerkte ich eine Veränderung: Hier war plötzlich etwas zu erkennen, das ich als senkrecht vom Himmel herabfahrende Linien bezeichnen würde, möglicherweise Strahlen unbekannter Natur. Es schien zu einem geradezu apokalyptischen Zusammenstoß zwischen den Götzen und diesem außerweltlichen Einfluss zu kommen. Die betreffenden Bilder waren schwer zu deuten, sie bestanden größtenteils aus einem Chaos wild umherzuckender Striche, wahrscheinlich Sinnbild einer erbittert geführten Schlacht. Am Ende der Bilderfolge waren die vielarmigen Monstren samt und sonders verschwunden.
Waren sie einer interstellaren Auseinandersetzung zum Opfer gefallen, dem Angriff eines noch mächtigeren und fremdartigeren Volkes?
Dagegen schien zu sprechen, dass im Gegensatz zu anderen Reliefs, in denen die sterblichen Überreste getöteter Urmenschen, grauer Wesen oder Mammuts stets demonstrativ gezeigt wurden, von den besiegten Krakenwesen schlicht jede Spur fehlte. Eine Untersuchung des finalen Relief am höchsten Punkt der Pyramidendecke erlaubte diesbezüglich eine Deutung, deren Tragweite mir erst später voll bewusst wurde.
Das Bild zeigte eine vereinfachte Weltkarte, auf der an rund einem Dutzend Stellen symbolhafte Darstellungen der Krakenbestien prangten, die mich erschaudern ließen.
Was, wenn die unvorstellbaren Monstrositäten in der dargestellten Schlacht von dem unbekannten Gegner zwar unterworfen, jedoch nicht vernichtet worden waren? Was, wenn ihre Bezwinger sie stattdessen eingekerkert hatten – an unterschiedlichen Punkten des Erdballs?
Angestrengt versuchte ich, mehr Details zu erkennen, doch der Abstand zur Decke war zu groß. Stumm verfluchte ich Weismans Knauserigkeit, ohne die das Gerüst problemlos noch ein paar Ebenen höher hätte gezogen werden können.
Getrieben von einem nagenden Gefühl der Furcht suchte ich Halt an einem Eckpfeiler und kletterte auf eine der umlaufenden
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