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Schumacher, Jens - Deep

Schumacher, Jens - Deep

Titel: Schumacher, Jens - Deep Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Schumacher
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kleine, randlose Brille, ihr blondes Haar hatte sie auf der Rückseite des Kopfes zu einem chaotischen Knoten zusammengebunden. Sie trug ein Tablett mit vier dampfenden Schüsseln sowie einem halben Dutzend Cola- und Sprite-Dosen.
    Unter Arturs wachsamem Blick stellte sie ihre Last zwischen Henrys Vater und Dr. McKenzie auf den Tisch. Ein würziger Duft breitete sich im Raum aus.
    »Verhungern lassen will uns Hauschildt offenbar nicht«, stellte der Meeresbiologe fest und nahm eine der Schüsseln an sich.
    Als die Frau im Kittel auf ihrem Weg zur Tür an Henrys Vater vorbeikam, sagte dieser unvermittelt: »Entschuldigen Sie, kennen wir uns zufällig?«
    Die Frau blieb stehen und sah ihn sekundenlang mit gerunzelter Stirn an. Nach einem raschen Seitenblick in Richtung Tür sagte sie unfreundlich: »Nicht, dass ich wüsste.« Ohne sich noch einmal umzudrehen, verließ sie die Zelle.
    Als der Riese die Tür zugeknallt und von Neuem verriegelt hatte, stürzten sich auch die anderen auf das Tablett. Die Schüsseln enthielten Gulaschsuppe, in der große Stücke Fleisch und Kartoffeln schwammen.
    »Komischer Zeitpunkt, um eine Frau anzubaggern, Donald«, bemerkte McKenzie kauend. Als Henrys Vater ihn verständnislos ansah, entblößte er grinsend seinen Goldzahn. »Kennen wir uns zufällig! Mann, der Spruch ist älter als diese Stadt im Eis, von der ihr erzählt habt.«
    »Aber die Frau kam mir wirklich bekannt vor«, gab Dr. Wilkins zurück. »Irgendwo habe ich sie schon einmal gesehen. Ich komme nur nicht darauf, wo.«
    »An ihrem Kittel war ein Namensschild«, sagte Becca, die ihre Augen wie üblich überall hatte. ›»Dr. Dettweiler‹ stand darauf.«
    Henrys Vater verschluckte sich an einem Löffel Suppe. »Susann Dettweiler, natürlich! Vergangenes Jahr war ein mehrseitiger Bericht über sie in International Science, anlässlich der Verleihung des Jefferson-Awards für außergewöhnliche Durchbrüche in der Wissenschaft.« Er sah McKenzie auffordernd an.
    »Dettweiler?«, wiederholte der Biologe, der seine Schüssel in Rekordzeit geleert hatte und sich gerade eine Dose Cola aufriss. »Kann sein, dass ich den Namen auch schon mal gehört habe. Welcher Fachrichtung gehört sie an? Und was hat sie Bahnbrechendes geleistet, dass man ihr den Jefferson gegeben hat? Ist er nicht mit einer Viertelmillion US-Dollar dotiert?«
    »Es sind nur hunderttausend, aber das reicht immer noch. Sie ist Genetikerin. Wenn ich mich recht erinnere, ist es ihr gelungen, das letzte unbekannte Segment des menschlichen Genoms zu entschlüsseln. Oder so etwas Ähnliches.«
    »Was hat eine Genetikerin in einem Unterwasserhabitat verloren?« Henry kratzte sich am Kopf.
    »Hauschildt scheint sie angeworben zu haben«, erwiderte sein Vater nachdenklich und trank seine Suppentasse aus. »Zu welchem Zweck, ist mir allerdings schleierhaft.«
    »Denken Sie, Dr. Dettweiler weiß, wer Sie sind?«, wollte Becca wissen.
    Dr. Wilkins schüttelte den Kopf. »Wir sind uns nie persönlich begegnet, und im Gegensatz zu ihr war mein Gesicht in den vergangenen zehn Jahren eher selten im International Science abgedruckt.«
    »Und auch davor nicht gerade häufig«, fügte McKenzie augenzwinkernd hinzu. Er zerdrückte die geleerte Dose in der Faust, lehnte sich stöhnend in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Ich könnte jetzt morden für eine anständige Zigarre.« Als er unbeabsichtigt gegen die Beule an seinem Hinterkopf stieß, fügte er mit schmerzerfülltem Gesicht hinzu: »Am liebsten diesen blonden Typ mit den Schinkenarmen! Meinetwegen auch ohne Zigarre.«
    Als die anderen ihre Mahlzeit beendeten, war der Abend bereits weit vorangeschritten. An der Oberfläche würde bald die Sonne untergehen.
    Henrys Vater und Dr. McKenzie unterhielten sich halblaut. Der Biologe hatte unzählige Fragen, die allesamt die Antarktis-Expedition betrafen, und Dr. Wilkins gab sich Mühe, sie zu beantworten. Die Erleichterung, keine Geheimnisse mehr vor seinem Freund haben zu müssen, war ihm deutlich anzumerken.
    In Henrys Kopf stand das Gedankenkarussell unterdessen nicht still. Die Vorstellung, nur ein paar Hundert Meter entfernt könnte etwas unvorstellbar Großes rasend aus seinem Gefängnis zu entkommen versuchen, ließ ihm keine Ruhe. Um sich abzulenken, richtete er sein Augenmerk auf Becca, die sich auf der Pritsche gegenüber zusammengerollt hatte. Ihr Atem ging flach und gleichmäßig. Sie schien zu schlafen.
    Der Anblick hatte etwas

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