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Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Titel: Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Schumacher
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Beben erschütterte den Leib des Fremden und er hob zitternd einen Arm. Die Hand, die aus dem Ärmel hervorragte, war ebenso grau wie sein Gesicht. Zwischen den Fingern hatte sich eine hornartige Substanz gebildet, die alle zu einem einzigen, länglichen Auswuchs verband. Ein seltsam modriger Geruch ging von dem Mann aus, eine Mischung aus feuchter Pappe und kaltem, schimmligem Hähnchenfleisch.
    »Großer Gott«, hauchte Henry. »Was in aller Welt …?«
    Weiter kam er nicht, denn kaum hatte er die Stimme erhoben, begannen die Lider des Entstellten plötzlich zu flackern. Verzweifelt versuchte er, die Augen zu öffnen, die allerdings so verschleimt waren, als hätte er dies seit Wochen nicht mehr getan. Als er sie schließlich stöhnend auseinanderzwang, kamen zwei grüne, unendlich müde wirkende Augen zum Vorschein. Ziellos irrten sie umher, schienen die Person zu suchen, die gerade gesprochen hatte. An Henry blieben sie schließlich hängen.
    Der Mann blinzelte, ungläubig, wie es schien. Fassungslos.
    Und dann – im selben Sekundenbruchteil, da Henry realisierte, dass er diese Augen kannte – seit sechzehn Jahren kannte –, öffnete der Mann ledrige, an den Mundwinkeln zusammengewachsene Lippen und stieß drei kurze Worte hervor.
    »Henry … mein Junge!«

31
     
    IM TUNNELSYSTEM, 18. APRIL 2013
     
    »D … Dad?« Henry spürte, wie sich alles in seinem Innern dagegen sträubte zu glauben, was seine Ohren und Augen ihm mitteilten. Aber es bestand kein Zweifel.
    Er hatte seinen Vater gefunden!
    »Donald?« Eileens Stimme schwankte zwischen Unglauben und nacktem Grauen. »Bist du es wirklich?«
    Ein Krächzen bahnte sich einen Weg durch die Kehle des Mannes. Es klang, als versuchte er, Henrys Namen zu wiederholen, aber sicher ließ sich das nicht sagen. Eine verwachsene Hand fuhr in die Höhe, langsam, zitternd, schien nach Henrys Gesicht greifen zu wollen.
    »Dad!« In Henrys Kopf drehte sich alles, er wusste nicht, was er denken sollte. Einerseits spürte er, wie Tränen der Freude und Erleichterung in seine Augen traten. Donald Wilkins lebte, und trotz der gigantischen Dimensionen des Felslabyrinths hatten sie ihn gefunden! Gleichzeitig hielt ihn kaltes Entsetzen davon ab, seinem Vater um den Hals zu fallen. Was war mit ihm geschehen? War er überhaupt noch er selbst?
    »Donald? Um Himmels willen!« Dr. Lamont kniete sich neben Henry auf den Boden und starrte den Liegenden mit großen Augen an.
    »Was ist mit ihm?«, brachte Eileen unter hörbarer Anstrengung hervor. »Wieso ist er … was hat ihn so grauenhaft entstellt’’«
    Lamont schüttelte fassungslos den Kopf. »Ich habe nicht die geringste Ahnung. Symptome wie diese habe ich noch nie gesehen.« Er griff nach Donald Wilkins’ Handgelenk und fühlte dessen Puls. »Herzschlag schwach und unregelmäßig.« Er schnallte seinen Rucksack ab und begann, darin herumzuwühlen. »Zum Glück habe ich vor unserem Aufbruch einige Präparate aus meinem Einsatzkoffer eingepackt, für den Fall, dass …«
    »Dad!« Henry war sich vage bewusst, dass er wie ein Idiot ständig dasselbe Wort vor sich hin stammelte. Aber seine Gedanken rotierten noch immer viel zu wild, als dass er zu einem vollständigen Satz fähig gewesen wäre. Wie in Zeitlupe hob er einen Arm und nahm die grau verfärbte Hand seines Vaters in seine. Sie fühlte sich weich und biegsam an, gänzlich ohne Kraft. Erneut stach ihm der modrige Geruch in die Nase, der ihm bereits beim Betreten der Kammer aufgefallen war, und er begriff die erschütternde Wahrheit: Donald Wilkins musste Tage und Wochen hier zugebracht haben, ohne fließendes Wasser oder sanitäre Anlagen.
    Die Lider des Kranken zitterten, seine Augen fielen zu. Dr. Lamont war in seinem Rucksack fündig geworden, griff sich einen der kraftlos daliegenden Arme und schob den Ärmel der Spyker-Expeditionsjacke nach oben. Auch die Haut des Arms war faltig und von ungesund gräulicher Farbe.
    »Das müsste seinen Kreislauf stabilisieren und ihn wieder halbwegs auf die Beine bringen.« Er setzte eine Spritze in der Armbeuge von Henrys Vater an und injizierte ihm eine durchsichtige Flüssigkeit.
    »Was war das?«, fragte Henry heiser. Er hielt noch immer die Hand seines Vaters umklammert.
    »Ein hoch dosiertes Stärkungspräparat. Es wird in Kriegsgebieten verwendet, um Schwerverletzten zu ermöglichen, sich aus eigener Kraft vom Schlachtfeld zu entfernen.«
    »Wie schnell wirkt es?«
    Die Antwort gab Henrys Vater selbst: Ein Stöhnen,

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