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Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Titel: Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Schumacher
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konnte.
    Häufig begannen sie mit dem vagen, schwer zu beschreibenden Eindruck unvorstellbarer Weite. Ich schien umgeben von einer Schwärze, größer und älter als alles, was ich je gekannt hatte. Ich trieb dahin, schwebte, ohne die Möglichkeit, meinen Kurs zu beeinflussen, ohne festes Ziel. Und während ich so dahintrieb in Träumen, die Monate, Jahre und länger zu dauern schienen, rührten sich plötzlich merkwürdige Erinnerungen in verborgenen Bereichen meines Verstandes – Erinnerungen, die nicht meine sein konnten, sich aber dennoch höchst real anfühlten, fast realer als die Erinnerungen an meine Frau und meinen Sohn.
    Ich stammte aus einer Welt, so weit von der Erde, dass jeder Versuch, sich diese Entfernung vorzustellen, unweigerlich in Wahnsinn geendet hätte. Auf diesem Planeten hausten Wesen, durch und durch fremdartig und zugleich extrem intelligent. Sie waren die Schöpfer einer unvorstellbar hochstehenden Kultur, die unsere Zivilisation in sämtlichen Belangen um ein Vielfaches überflügelte. Vor Urzeiten hatte ich ihre Welt verlassen, und seither trieb ich durchs All. Ich durchquerte Galaxien, die der Menschheit bis heute unbekannt sind, und andere, die wir zwar kennen, die aber auf ewig unerreichbar für uns bleiben werden.
    Ich trieb träumend, träumte treibend …
    Und wartete.
    Schließlich, nach einer Zeitspanne, die sich jeder Darstellung in Zahlen oder Worten entzieht, spürte ich, dass sich meine Reise ihrem Ende zuneigte. Unbewusst hatte ich mich einer Welt angenähert, deren atmosphärische und geologische Bedingungen Anlass zur Hoffnung gaben – Hoffnung, dass ich meine Mission hier zu einem erfolgreichen Abschluss bringen konnte.
    Dieser Planet war die Erde.
    Meine Landung war unbeschreiblich. Hätte ich eine feststoffliche Gestalt besessen, wäre ich beim Aufprall fraglos atomisiert worden. Die Erbauer der Sonde, in der ich gereist war, hatten sie allein für die Erfordernisse einer Äonen währenden interstellaren Reise geschaffen, nicht für eine Landung aus Hunderten Kilometern Höhe.
    Zum Glück besaß ich keine feststoffliche Form. Ich besaß überhaupt keine Form im eigentlichen Sinne.
    Ich war flüssig!
    Schon kurz nach meiner Landung näherten sich erste Lebewesen der Absturzstelle: flinke zweibeinige Echsen und primitive Ursäuger. Sie beschnupperten mich, schleckten kleine Mengen von mir auf Ich verspürte eine tiefe Befriedigung. Ich war auf dem besten Wege, meine Mission zu erfüllen.
    Wenig später war ich von zahllosen grauen, sternköpfigen Wesen umringt. Ein Teil von mir, tief in meinem Innern -jener Teil, der nach wie vor Donald Wilkins war –, fragte sich, woher diese Horden ausgewachsener Monstren so plötzlich kamen. Ein anderer Teil -jener Teil, der von jenseits der Sterne stammte – beobachtete voll Genugtuung, wie die Kreaturen mit unmenschlichem Geschick begannen, Felsbrocken aus einem nahen Gebirge herbeizuschaffen, sie zu bearbeiten, zu riesigen Quadern zu hauen und in schwindelerregende Höhe aufeinanderzustapeln.
    Sie errichteten eine Stadt.
    Ich fand mich im Zentrum einer rasend schnell wachsenden Metropole wieder, in einem sternförmigen Raum tief unter deren Fundamenten. Meine Diener sammelten jede noch so winzige Quantität meiner Substanz auf und vereinten sie in einer großen steinernen Wanne. In unregelmäßigen Abständen brachten sie Tiere zu mir, Echsen, später immer öfter Säugetiere. Einem Teil meines Selbst blieb der Sinn dieses Tuns verschlossen. Die andere Hälfte freute sich unbändig, dass alles nach Plan lief.
    Die folgenden Jahrtausende verschwammen zu einem diffusen, nicht abreißenden Reigen verwirrender Bilder. Die Zahl der grauen Kreaturen wuchs, nach wie vor ohne dass ich erkennen konnte, woher sie kamen. Je zahlreicher sie wurden, desto schneller wuchs die Stadt. Türme schossen in die Höhe, Kegel, Wälle, gewaltige Tempel und Abertausende von Häusern. Alles entstand aus jenem schwarzen Gestein, das meine Diener aus den Bergen herbeischaffen und mit enormer Kunstfertigkeit bearbeiteten und polierten. Ihre Architektur war bestimmt von schwindelerregenden Schrägen und Winkeln, die mich einerseits irritierten und abstießen, andererseits tief in meinem Innern ein sonderbares Gefühl von Heimat und Geborgenheit weckten.
    Meine Aufgabe stand nun kurz vor ihrem Abschluss. Daher sandte ich, wie es meine Bestimmung war, einen mentalen Ruf an meine Herren aus. Alles war bereit. Sie konnten kommen.
     
    Jahrmillionen verstrichen.

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