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Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Titel: Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Schumacher
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einbrachte.
    Anschließend hatte sich die Gruppe zum Abendessen im größten, dem künftigen Hauptzelt, versammelt. Golitzin hatte Wasser aufgesetzt und eine der Proviantkisten geöffnet.
    Von den Expeditionen mit seinem Vater war Henry karge Kost gewohnt, manchmal hatten sie sich in der Wildnis tagelang von Fisch, Reis oder Getreidebrei ernähren müssen. Umso größer war seine Überraschung, als er sah, was die Speisekarte in der Antarktis zu bieten hatte.
    Die meisten Nahrungsmittel waren, wie bei Fahrten von unbekannter Dauer üblich, auf lange Haltbarkeit ausgelegt. Es gab Dosenbrot, Nüsse, Dörrobst, Zwieback, Hartkäse, Schokolade, Dauerwürste, Trockenfleisch und zentnerweise Proteinriegel. Ein großer Teil der Verpflegung bestand aus eingeschweißten silbernen Folienbeuteln. Sie trugen die Aufschrift DryTec Expedition Food und stellten sich als gefriergetrocknete Komplettmahlzeiten heraus. Von Hühnerfrikassee über Nudelgerichte, Gulasch, Eintopf und Pasta bis zu Fischgerichten war alles vertreten, was man sich vorstellen konnte.
    Während Golitzin Tüte um Tüte mit kochendem Wasser aufgoss und den Sitzenden in die Hände drückte, erklärte er, dass moderne Expeditionsnahrung, ähnlich wie Astronautenkost, alle notwendigen Nährstoffe enthielt. Selbst bei wochenlanger Ernährung auf Basis dieser Instantgerichte sei nicht mit Mangelerkrankungen zu rechnen, wie sie noch hundert Jahre zuvor Polforschern und Entdeckern auf langen Reisen zu schaffen gemacht hatten.
    »Lecker, diese Nudeln«, lobte Eileen und drehte ihre Tüte so, dass sie das Etikett mit den Inhaltsstoffen und Nährwertangaben lesen konnte. Plötzlich weiteten sich ihre Augen. »Großer Gott -dieses Zeug ist ja die reinste Kalorienbombe!«
    »Das dürfte volle Absicht sein«, erklärte Dr. Lamont und ließ den letzten Rest Soße aus der Tüte auf seinen Löffel tropfen. »Der menschliche Körper verbraucht bei Kälte viel mehr Kalorien als in warmem Klima.«
    »Aber wir haben heute stundenlang in einem gut geheizten Wagen herumgesessen!« Eileen beäugte ihre Tüte misstrauisch.
    »Ach was, dafür haben Sie mehrfach in der Kälte Ihr Zelt auf- und abgebaut.« Golitzin faltete die geleerte Verpackung ordentlich zusammen. »Wenn es kälter wird und wir uns mehr im Freien aufhalten, werden wir unsere tägliche Kaloriendosis auf fünftausend, später möglicherweise auf siebentausend erhöhen.«
    Eileen sagte nichts mehr und stellte ihre halb geleerte Tüte beiseite. Sie schien für den Moment satt zu sein.
    Henry war mit seinem Erbseneintopf fertig und sah sich in dem engen Zelt nach einem Abfalleimer um. »Was passiert mit dem Müll?«, wollte er wissen.
    Lincoln stieß ein prustendes Geräusch aus. »Willkommen in der Antarktis, Mann! Dummerweise gibt’s hier keine Mülleimer.« Er hielt seine Tüte hoch, aus der er ein silbernes Schiffchen gefaltet hatte. »Hier schleppt man seinen Dreck brav mit sich herum, bis man irgendwann in die Zivilisation zurückkommt.«
    Dr. Golitzin nickte. »Die Antarktis ist das letzte intakte großräumige Ökosystem der Erde. Sie steht unter dem Schutz strenger Abkommen und Verträge. Niemand darf hier Rohstoffe abbauen, Militär oder Waffen stationieren oder etwas in die Natur einbringen, das nicht hierher gehört. Dazu zählt auch der Abfall, den wir während unseres Aufenthalts produzieren.«
    Das sah Henry ein, wenngleich diese Tatsache bei genauerer Betrachtung gewisse Probleme mit sich brachte. »Eine Art riesiges Naturschutzgebiet also. Und was geschieht mit unserem Müll, sobald wir ihn zurück nach McMurdo bringen?«
    »Er wird in achtzehn Sorten Abfall getrennt, zu Ballen gepresst und in die Vereinigten Staaten ausgeflogen. Darf ich bitten?« Golitzin streckte den Arm aus und sammelte die leeren Tüten und Tetrapaks ein. Anschließend verkündete er, dass sie bei Tagesanbruch die Zelte abbauen und weiterfahren würden, und löste die Versammlung auf.
    Niemand widersprach, alle schienen ähnlich müde zu sein wie Henry. Er wünschte den anderen eine gute Nacht und zog sich in sein Zelt zurück.
    Dort gratulierte er sich zu seinem Einfall, das Heizgerät bereits vor dem Essen einzuschalten. Im Innern empfing ihn eine vergleichsweise mollige Wärme. Er legte den Parka ab, kroch aber ansonsten, wie Dr. Golitzin es ihnen beigebracht hatte, vollständig bekleidet in seinen Schlafsack. Dann löschte er das Licht.
    Als Henry die Augen wieder öffnete, hatte er den Eindruck, nur kurz weggedämmert gewesen zu

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