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Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Titel: Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Schumacher
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dann immer häufiger. Nach einer Weile verlief auch der Hauptkorridor nicht mehr schnurgerade, sondern beschrieb Bögen und spitze Kehren. Manchmal kreuzte er ähnliche Korridore von vergleichbarer Breite. An solchen Punkten brachte Dr. Golitzin mit einem Stück Kreide Markierungen an der Wand an, damit sie später den Rückweg fanden.
    »Das reinste Labyrinth«, murmelte Henry. »Denken Sie, die Gänge ziehen sich unter der ganzen Stadt hin?«
    »Schwer zu sagen.« Dr. Golitzin kraulte sich den Bart, während er mit der anderen Hand einen neuen Seitenstollen ausleuchtete. »Da den Erbauern dieser Metropole kaum etwas unmöglich schien, halte ich es nicht für ausgeschlossen.«
    Schweigend gingen sie weiter. Das Echo ihrer Schritte eilte ihnen durch den dunklen Tunnel voraus wie Donnerhall. Sogar sein eigener, gedämpfter Atem dröhnte Henry überlaut in den Ohren, ein Resultat der drückenden Stille ringsum.
    Nach einer Viertelstunde beschlich ihn der unangenehme Eindruck, dass sich irgendjemand – oder irgendetwas – ganz in ihrer Nähe befand.
    Ein ums andere Mal drehte er sich ruckartig um und leuchtete mit seiner Lampe den hinter ihm liegenden Gang aus. Manchmal strahlte er auch in irgendwelche Gangöffnungen hinein, die in den Seitenwänden auftauchten. Doch nie kam etwas anderes in Sicht als schwarz glänzende Wände und Finsternis, die darauf lauerte, in die Gänge zurückzufluten, sobald er die Lampe abwendete.
    Schließlich endete der Korridor in einem gewaltigen, kreisrunden Raum. Mit offenen Mündern blieben Henry, Lincoln und Golitzin stehen.
    Die vor ihnen liegende Fläche musste über hundert Meter messen, ihre MagLites drangen kaum bis zum anderen Ende vor. Eine gewölbte Decke spannte sich über ihren Köpfen, eine nahezu perfekte Halbkugel von mindestens dreißig Metern Höhe. Aus allen Richtungen mündeten Gänge in den Raum, schmale und breitere. Wände und Decke waren bis auf den letzten Quadratzentimeter mit Gravuren und Reliefs verziert. Spiralförmig wanden sich die eingemeißelten Symbole aus schwindelnder Höhe bis ganz zum Boden hinab. Ehrfürchtig verfolgte Henry ihren Verlauf mit der Lampe.
    Den Zeichnungen haftete, ebenso wie der Architektur der oberirdischen Gebäude, etwas unaussprechlich Fremdartiges an.
    Henry musste daran denken, wie er als kleiner Junge in einem Bildband seines Vaters geblättert und zum ersten Mal ägyptische Hieroglyphen gesehen hatte. Obwohl ihn die abstrakten Bilder und Symbole fasziniert hatten, erinnerte er sich noch gut daran, dass ihn die vage Andeutung einer großen, hoch entwickelten Kultur, die hinter diesen Zeichnungen stand, erschreckt hatte.
    Dasselbe Gefühl befiel ihn jetzt.
    Bei einem Teil der Bilder – jenen, die sich am höchsten Punkt, im Zentrum der Kuppel, befanden – schien es sich um astronomische Darstellungen zu handeln. Henry glaubte, Sternbilder und Sonnen zu erkennen, dazwischen immer wieder sonderbare Objekte mit vielen Ecken und Kanten, die er nicht interpretieren konnte.
    Etwas tiefer folgten Motive, die Ähnlichkeit mit einfachen geografischen Karten hatten. Henry versuchte, in dem Gewirr krakeliger Linien die Umrisse ihm bekannter Kontinente ausfindig zu machen, jedoch ohne Erfolg.
    Dr. Golitzin strahlte mit seiner Lampe denselben Bereich an. Ein ungläubiger Laut entwich seinen Lippen, als er eine große, unregelmäßig geformte Fläche entdeckte. »Blin! Das … wenn mich nicht alles täuscht, ist das Gondwana«, hauchte er. »Der Urkontinent. Zumindest kommt der Umriss jener Form recht nahe, die Gondwana vor etwa hundert Millionen Jahren gehabt haben soll …«
    »Gondwana? Davon habe ich noch nie gehört.« Lincoln war mit seinem Lichtstrahl in einem anderen Bereich der Kuppeldecke zugange.
    »Gondwana ist der Name, den Wissenschaftler der gigantischen Landmasse gegeben haben, aus der sich vor Urzeiten unsere heutigen Kontinente entwickelten.« Der Russe sprach langsam, als müsste er sich auf jedes Wort konzentrieren. »Damals hingen sie mit dem heutigen antarktischen Festland zusammen, einer Region, die einst warm und außerordentlich fruchtbar gewesen ist … Schätzungen zufolge bis vor etwa fünfunddreißig Millionen Jahren. Das Eis kam erst, nachdem der Urkontinent auseinandergebrochen war und die Antarktis in Richtung Südpol abdriftete.«
    »Aber wie können die Erbauer der Stadt von diesem Urkontinent gewusst haben?«, erkundigte sich Henry. »Die meisten Erkenntnisse über die Entstehung unseres Planeten, über

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