Schummeln fuer die Liebe
wir unbedingt müssen, weil jemand von uns neue Schuhe oder eine Winterjacke oder irgendwas in der Art braucht. Dann machen wir eine Pause beim Italiener und dann kommt der vergnügliche Teil. Das ist für Papa ein ausgiebiger Besuch in seinem geliebten C D-Laden . Für Mum ist es das Geschäft mit diesen bunten Seifen und Badekugeln. Es sieht auswie ein Spielzeugladen von Walt Disney und es gibt Duschgel, das aussieht wie Wackelpudding, und dicke faustgroße Badekugeln, zum Beispiel solche, die die ganze Haut glitzern lassen, wenn man aus der Wanne steigt. Irgendwie peinlich. Aber immer wenn ich Mum sehe, wie sie an dem ganzen Zeug schnuppert, dann geht es mir gut. Mum ist oft so gestresst von ihrem Job im Landratsamt, dass ich vergesse, wie lustig sie eigentlich sein kann. Zum Knuddeln irgendwie. Das findet auch Papa, und wenn er sie dann wirklich knuddelt, ist sie erst recht zum Knuddeln süß.
Heute habe ich mir auch noch das Geld eingesteckt, das ich von Oma und Tante Lisette zum Geburtstag bekommen habe. Ich brauche dringend neue, coole Klamotten. Und ich weiß auch schon, wo ich die kriege. Hinter dem Bahnhof gibt es einen Laden, der führt lauter Sachen aus Großbritannien. Ingwerkekse, Orangen- und Zitronenmarmelade, Seife und eben auch Klamotten und Schuhe. Da will ich hin!
Mum kann es gar nicht fassen, dass ich mich auf einmal so brennend für Sachen zum Anziehen interessiere. Früher wollte ich höchstens mal indianische Mokassins oder einen Traumfänger so dringend haben, dass ich dafür durch die halbe Stadt gedüst wäre.
»Aus Kindern werden Leute!«, sagt Papa, grinst peinlich und legt mir den Arm um die Schulter, bevor er sich auf den Fahrersitz quetscht, um endlich loszufahren.
Blöderweise kommt in dem Moment Flo aus demHaus gestürmt. Ich verrenke mir den Hals, aber Baxter ist nirgends zu entdecken.
»Johann hat gerade angerufen. Wir wollen heute in die Schwimmoper! Kommst du mit? Teresa geht mit und da dachte ich …«
»Lene, einsteigen, Türen schließen!«, ruft Papa.
»Ähm!«, sage ich.
»Nun mach schon!« Mum klingt schon ziemlich ungeduldig.
»Heute geht’s nicht«, sage ich. »Können wir nicht morgen …?«
Flo schüttelt bedauernd den Kopf. »Morgen hat Johann ein Basketballspiel.«
Und Teresa und ich müssen zum Training, da hatte ich gar nicht mehr dran gedacht. »Na dann«, sage ich. Papa drückt auf die Hupe und ich steige ein.
Scheiße! Scheiße! Scheiße! Am liebsten würde ich mich aus dem Auto beamen. Das ging alles zu schnell, sonst wäre ich einfach zu Hause geblieben. Wieso muss die Autobahnauffahrt auch so nah bei unserem Viertel sein? Sonst könnte ich jetzt noch aussteigen.
Die gehen in die Schwimmoper. Johann, Teresa, Flo und
Baxter
. Und ich bin nicht dabei! Das darf nicht wahr sein! Dabei hat Renate gestern noch erzählt, dass sie sich ein ganz ruhiges Wochenende machen wollen, weil für Baxter am Montag die neue Schule losgeht.
Papa legt eine CD in den Player ein. Kein Deutschrock. Mama zuliebe spielt er die Schnulzen-CD von Robbie Williams. Ich lehne mich zurück und schließe die Augen. Sofort sehe ich Teresa in ihrem affenscharfen,schwarz-roten Bikini vor mir. Ich reiße die Augen wieder auf, aber das nützt nichts. Die Bilder gehen nicht weg. Was ist, wenn Baxter sich in Teresa verknallt? Wieso bin ich auf den Gedanken nicht schon eher gekommen? Bei Flo habe ich doch auch sofort daran gedacht.
Neulich auf der Rollschuhbahn hat er ja nicht sehr interessiert gewirkt, aber da hatte Teresa auch keinen Bikini an. In der Eisdiele war er sogar ein bisschen genervt von ihrem Geplapper. Ich entspanne mich ein bisschen. Aber dann fällt mir das nächste Problem ein: das Geplapper! Wenn die den ganzen Tag zusammen sind, hat Teresa jede Menge Zeit für Geplapper und dann kommt sie garantiert irgendwann auf Raoul und mich. Oh nein!
Mum dreht sich um. »Ist dir nicht gut, Schatz?« Offensichtlich habe ich auch noch laut gewimmert.
»Alles in Butter!«, sage ich und gucke zum Fenster raus. Glotzt ihr nur, ihr Kühe da draußen. Ihr wisst gar nicht, was für Probleme so ein Mensch haben kann.
Durch die Kaufhäuser laufe ich wie ferngesteuert hinter meinen Eltern her. Nur um mich abzulenken, mache ich einen auf verständnisvolle große Schwester. Tonki ist komplett entzückt von mir. Papa kauft sich einen Kapuzenpulli und ein T-Shirt . Er sieht damit aus, als wollte er auf ein Rockkonzert. Mama braucht einen Mantel. Aber sie ist total unzufrieden mit
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