Schummeln fuer die Liebe
Verlass.
Jetzt sitze ich schon wieder hier und glotze zu Stadlers rüber. Das ist doch vollkommen lächerlich. Kann ich nicht ein Buch in die Hand nehmen und was Spannendes lesen? Ich versuche es, aber ich setze mich so, dass ich beim Hochschauen sofort das Haus nebenan im Blick habe. Das kann ja nichts werden. Ich lege mich hin. Von hier unten kann ich nichts mehr sehen. Aber was war das? Ein Geräusch? Von drüben? Zack, sitze ich wieder senkrecht im Bett. Morgen frage ich Tonki, ob sie mit mir das Zimmer tauscht, aber echt! Da kann ich dann bloß noch Frau Sittler beim Blumengießen beobachten. Das ist wenigstens nicht so nervenaufreibend.
Treppensteigen für Anfänger
Ich bin richtig froh, als Teresa auftaucht. Es ist Sonntagnachmittag und ich habe bereits den ganzen Vormittag damit verplempert, mir eine Strategie zu überlegen, wie ich unauffällig nach drüben gehen kann. Aber es hat nicht geklappt. Es ist dasselbe Gefühl, als wenn man über so was völlig Normales wie das Treppensteigen nachdenkt. Kaum fängt man an, sich die Schritte zu überlegen, kann man es plötzlich nicht mehr.
Teresa kommt bei uns an und will natürlich sofort rüber zu Flo. Super! Wer hätte gedacht, dass ich mal Grund hätte, mich über ihre Dauerverliebtheit zu freuen. Ich renne nur schnell ins Bad und mache mir die Frisur, die ich von Sue gelernt habe. Waaah! Ich bin so was von zappelig. Gleich sehe ich Baxter, Baxter, Baxter. Ich tupfe noch etwas Lipgloss auf den Mund und lächle meinem Spiegelbild zu.
Ist doch alles in Ordnung, Lene. Ich weiß gar nicht, was du hast. Noch ein Spritzer von Mas Parfüm hinters Ohr und ab durch die Mitte. Die paar Schritte über den Hof möchte ich am liebsten hüpfen. Wir gehen unsere Freunde besuchen. Ist doch das Einfachste von der Welt.
Wir klingeln, klingeln noch mal und noch mal. Ich gucke Teresa völlig verblüfft an.
»Die sind nicht da!«, sage ich fassungslos und starre Stadlers Haustür an, als gäbe es da eine Geheimschrift zu entziffern.
Teresa packt mich am Ärmel und zieht mich hinter sich her, dabei guckt sie mich an, als hätte sie es mit einer ganz bemitleidenswerten Kreatur zu tun. »Dieser Raoul hat anscheinend nicht nur dein Herz, sondern auch noch deinen Verstand mitgenommen«, sagt sie und drückt freundschaftlich meinen Arm, während wir durch unseren Garten stolpern.
Es ist der reine Segen, dass in dem Moment Johann auftaucht. »Flo ist anscheinend nicht da, kann ich so lang mit zu euch rüber?«
Ich strahle. »Klar! Immer rein in die gute Stube!«, sage ich und freue mich so sehr über die Aussicht, dass ich Baxter nun doch noch zu sehen kriege, dass meine Stimme dabei so einen leicht überdrehten Kiekser hat. Teresa guckt, als hätte ich mich plötzlich in ein Marsmännchen verwandelt.
Wir hängen Flo einen Zettel an die Tür und gehen hoch in mein Zimmer. Unterwegs überlege ich, was wir zu dritt anstellen können. Aber das ist völlig überflüssig. Teresa hat die Situation mal wieder voll im Griff. Sie zeigt Johann meine CDs und unterhält sich mit ihm über eine Band, die Julian gerade entdeckt hat. Johann kennt sich total gut aus. Ich bleibe in meinem Sitzsack hocken und höre zu. Johann ist überhaupt nicht mehr zu bremsen. Seine große Schwester war diesenSommer auf ein paar Open-Air-Festivals. Er redet davon, als wäre er selbst dabei gewesen. In seiner Begeisterung sieht er irgendwie süß aus. Es macht Spaß, ihn zu beobachten. Selbst Teresa hat Mühe, zu Wort zu kommen, und das will was heißen. Und als sie es endlich doch schafft, hört Johann ihr total aufmerksam zu. Man könnte fast meinen … Aber das ist ja absurd. Jedenfalls tun die so, als ob ich überhaupt nicht da wäre. Und das in meinem eigenen Zimmer.
Als wenig später Flo und Baxter auftauchen, geht es gerade so weiter. Die beiden steigen sofort in das Gespräch über Musik ein, haben sogar ein paar CDs mitgebracht. Nehmen die die Dinger etwa auch mit ins Bett? Johann erzählt seine Geschichte gleich noch mal von vorn und Teresa protzt mit ihrem Wissen. Sie kennt diese ganzen Brit-Pop-Gruppen von Julian und seinen Freunden. Baxter ist schwer beeindruckt. Er verspricht, ihr ein paar der neuesten Sachen zu brennen. Und auch Johann will welche haben, dafür will er ein paar Live-Mitschnitte von seiner Schwester kopieren.
»Ääh, Flo!«, sage ich. Ich muss es zweimal sagen, bis er es hört. »Guck mal, was ich im Sommer am Bodensee gefunden habe …« Ich nestle die getrockneten
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