Schurken machen Krawall
verbaut hatte.
Barbaras Eltern saßen sich an den Kopfenden gegenüber. Ganz weit weg voneinander. Wahrscheinlich schmatzte einer von beiden. Eltern sind ja, was Schmatzen angeht, oft etwas empfindlich. Frau Schwemme saß direkt vor dem Fenster, sodass man sie in der untergehenden Abendsonne nur schemenhaft ausmachen konnte. Das alte Gespenst.
Für uns waren zwei Plätze an der Seite eingedeckt. Gegenüber von Martin. Der saß bereits am Tisch und mampfte zufrieden eine Stulle. Barbaras Mutter hatte sogar für Dieter gedeckt. Wie Martin sie dazu gebracht hatte, war mir ein Rätsel.
Schuldbewusst marschierten Barbara und ich zu unseren Plätzen. Vor uns auf dem Tisch standen Körbe mit Brot und Brötchen, auf einem silbernen Tablett lagen verschiedene Käse- und Wurstsorten und in kleinen Schüsselchen warteten Gewürzgurken, Silberzwiebeln, geviertelte Tomaten und in Scheiben geschnittene Gurken darauf, von uns verputzt zu werden. Unser Tee stand dampfend auf einem Stövchen.
Barbaras Eltern musterten uns schweigend.
„Es tut mir leid“, sagte Barbara.
„Was tut dir leid?“, fragte ihre Mutter, und falls sie sauer auf uns war, ließ sie es sich nicht anmerken.
„Dass wir uns verspätet haben“, antwortete Barbara.
„Und warum habt ihr euch verspätet?“, fragte Barbaras Mutter.
„Wir haben die Zeit vergessen“, sagte Barbara. „Beim Baumhausbauen.“
„Ich mag es nicht, angeschwindelt zu werden, Barbara. Das weißt du“, sagte Frau Schwemme ruhig.
„Aber wir haben am Baumhaus gearbeitet!“, protestierte Barbara.
„Das mag sein. Aber vorhin war nur Martin dort.“
„Und Dieter“, warf Martin ein. „Dieter war auch da.“
Barbaras Mutter sah lächelnd zu ihrem neuen Liebling Martin rüber. „Selbstverständlich. Dieter war auch da. Ihr beiden allerdings nicht.“ Sie musterte Barbara und mich streng.
„Wir waren im Wald“, gestand Barbara leise.
„Im Wald?“ Barbaras Vater ließ seine Gabel auf den Teller fallen. „Ich habe dir doch verboten, im Wald zu spielen.“
„Ich weiß“, sagte Barbara und senkte den Kopf.
„Wir haben nicht gespielt“, mischte ich mich ein. „Wir haben den Spinnenmann verfolgt. Bis zu seinem Bunker.“
Barbara funkelte mich an. Sie wollte mich wohl zum Schweigen bringen. Aber das war mir egal.
„Wir waren einem Schurken auf den Fersen! Einem Superschurken!“, erklärte ich Barbaras Eltern mit todernster Miene.
Barbaras Vater atmete tief durch. Die Nachricht hatte ihm offenbar zugesetzt. Und zu Recht. Wer lebte schon gerne in der Nachbarschaft eines Superschurken? Ich blinzelte ihm kameradschaftlich zu.
„Keine Sorge, wir kümmern uns darum. Sie müssen keine Angst haben!“, versuchte ich ihn zu beruhigen.
Barbaras Mutter lächelte mich an. Aber es war kein nettes Lächeln. „Erzähl keinen Unsinn, Sebastian“, sagte sie dann auch prompt. „Es gibt keinen Spinnenmann im Wald. Es gibt überhaupt keine Spinnenmänner.“
„Und ob es den gibt!“, empörte ich mich. „Wir haben ihn doch alle gesehen. Stimmt’s, Martin?“
Martin sagte nichts. Er hatte den Mund voll und sprach grundsätzlich nicht, wenn er etwas im Mund hatte. Blöde Erziehung!
Aber ich wollte mich keinesfalls geschlagen geben. Ich wollte, dass man uns glaubte. Doch ein Seitenblick von Barbara brachte mich endgültig zum Schweigen.
„Esst nun“, sagte Barbaras Mutter und trank einen Schluck aus einer feinen Porzellantasse. Der Teller vor ihr war noch strahlend weiß. Hatte sie überhaupt etwas gegessen? Musste oder konnte sie überhaupt essen? Hatten Gespenster Hunger? Und wenn ja, was war ihre Lieblingsspeise? Wackelpudding? Angstschweiß? Gehirn? Wobei – Letzteres schien mir unwahrscheinlich. Gehirne gehörten wohl eher auf die Speisekarte von Zombies.
Aber was auch immer Gespenster gerne futterten – die Beweise, dass Barbaras Mutter ein Gespenst war, verdichteten sich. Wenn es mir nur endlich gelungen wäre, sie zu überführen! Dann hätten wir Barbaras Mutter in der Hand gehabt und unsere Ferien wären gerettet gewesen. Und Barbara müsste nicht ins Internat.
Da kam mir die Idee. Was ja kein Wunder war. Schließlich bin ich das Gehirn. Der Kopf der Unglaublichen Dreieinhalb.
Ich schnappte mir eine Scheibe Brot und die Butter. Dann ließ ich mein Messer mit Absicht unter den Tisch fallen. Es schepperte auf dem kalten Steinboden. Jetzt galt es, die Gunst der Sekunde zu nutzen!
„Hoppala! Ich muss mal eben mein Messer aufheben. Das ist mir nämlich
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