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Schussfahrt

Schussfahrt

Titel: Schussfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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Höherem würde ich
dabei gerade nicht reden.«
    »Sorry, aber du
schaffst es immer noch, mich auf die Palme zu bringen.« Marcel zuckte die
Schultern.
    »Danke für die
Blumen, du auch!« Jo musste jetzt doch lachen.
    Es war einfach zu
blöd, mit einem Ex-Freund auf beruflicher Ebene zu verkehren, dachte sie.
Schließlich hatte sie ein Jahr lang ihr segensreiches Vorstadtdasein gelebt,
mit just diesem Marcel an ihrer Seite. Er war der antiseptische Journalist
gewesen.
    Ich sollte mich echt
mal zusammenreißen, lenkte Jo innerlich ein. Aber andererseits: Konnte der
nicht einfach mal locker sein? Heute schon wieder, dieses »in situ«!
    »Schau nicht so
ernst«, meinte Marcel und sah sie schon wieder so besorgt an, als sei er ihr
Therapeut. »Lach mal, ich muss doch ein nettes Bild von dir machen, wie du hier
in einer momentan noch unberührten Landschaft stehst.«
    »Ich sehe aus wie
ein verfetteter Hamster, wenn ich lache«, meuterte Jo, und Marcel drückte ein
paarmal mit der Reihenschaltung ab.
    »Lass gut sein, Jo,
erstens siehst du nicht aus wie ein Hamster, und zweitens bist du doch unsere
Tiertante. Selbst wenn du aussähest wie ein Hamster, müsste dir das doch
gefallen. Gehen wir lieber in medias res. Ich habe da einige Fragen
vorbereitet.«
    Jo würgte an der
»Tiertante« und dem »in medias res« und bekam ein verdrücktes »okay« raus.
    Marcel wollte gerade
seine erste Frage stellen, als Jos Handy Laut gab. Sie meldete sich genervt: »Kennerknecht, das passt mir jetzt momentan schlecht, ich bin mitten –« Sie
wurde unterbrochen.
    »Jo, do isch dr
Schorsch. Du muasch kumma mit m Gerhard. I sitz in U-Haft. Es isch …« Verdammt,
wieder kein Netz. Jo war schon auf dem Absatz. »Marcel, tut mir Leid, ich muss
sofort weg, reden wir demnächst in meinem Büro weiter. Patrizia gibt dir einen
Termin. Das wird jetzt nichts mit in situ.«
    Jo riss die Autotür
auf und fuhr mit einem Satz nach vorne an. Sie drückte sich verkrampft gegen
den Autositz, die Schultern verspannt, das Lenkrad weißknöchlig umklammert. Sie
legte den dritten Gang ein, riss das Steuer herum und schoss in den Weg nach
Luitharz. Hierher kam nie ein Schneepflug, aber auch kein Belgier, der mit fünf
Stundenkilometern durch den lebensbedrohlichen Winter brauste. Jo schlingerte
leicht, knüppelte zwischen zweitem und drittem Gang, als ginge es um die Rallye
Paris-Dakar. Schneefahren ist wie das Fahren auf Sand, Bremsen ist tödlich.
    Für die
Panoramastraße hatte sie jetzt keinen Blick. Irgendwo anders hätte man sie
längst zum »Tourist Scenic Drive«, zur »Touristenstraße«, zum autogerechten
Panoramarundweg stilisiert. Wo sonst standen Grünten, ja sogar Mädelegabel und
Krottenkopf so perfekt Spalier wie hier oben im Bergstätter Gebiet? Hier war
das eben so. Wozu Aufhebens davon machen? Entzückte Amerikaner und aus allen
Linsen schießende Japaner gab’s in Neuschwanstein genug. Da mochten sie auch
bleiben. Diese Gegend blieb einigen wenigen Kennern überlassen. Die Anmut der
Bescheidenheit sagt der Masse nichts, dachte Jo. Aber deshalb brauchte das
Allgäu noch lange kein Event Castle.
    In Akams mit seiner
geschindelten Dorfkirche war das Netz wieder da. Sie wählte Gerhards Nummer und
brüllte ins Telefon: »Wie kannst du den Schorsch verhaften?«
    »Langsam, Mädel, ich
hab den Schorsch nicht verhaftet. Das war Volker Reiber, und es blieb ihm auch
gar nichts anderes übrig. Er hatte eine Gegenüberstellung auf der Dienststelle
angeordnet.«
    »Ja und?«, schrie
Jo.
    »Deine Frau Müller
war von der durch Volker importierten Großstadt-Kriminalistik sehr angetan. Sie
war ganz aufgeregt. Sie musste sich fünf Männer ansehen, und bei Georg
Obermaier hat sie zumindest die Statur als passend empfunden. Und die Jacke,
die war es, da war sich die pfiffige alte Dame ganz sicher.«
    Jo brüllte weiter
ins Handy: »Und eine Jacke hat Mister Lederstrumpf gereicht? Verdammt, tu doch
was! Ich bin in zehn Minuten in Kempten.«

8.
    Jo raste über den
Adenauerring – es dauerte nur sieben Minuten, bis sie in Gerhards Büro stürmte.
Gerhard war schneeweiß im Gesicht.
    »Schorsch ist
wirklich in der Weiherstraße, dringender Mordverdacht. Er ist aber auch ein
verstockter Trottel. Sieht schlecht aus für ihn.«
    »Wieso, ich dachte,
der schöne Volker hätte Frau von und zu Gräfin von Rümmele in Verdacht oder
auch Peter Rascher?« Jo wippte hin und her.
    »Ja, das stimmt
auch, aber Frau Müller hat die Geschichte dreimal absolut

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