Schussfahrt
it gmacht – und do wollt er halt an Rennschliff und Rennwachs.
Mei der isch reipoltrat, und dann hot er gsagt: Der Herr Obermaier, immer
fleißig, immer fleißig, muss man heutzutage, gell.«
Verblüffend, wie gut
Schorsch den Rümmele imitieren konnte.
Jo musste grinsen.
»Tja, in der Kommunikation mit dem debilen Einheimischen hat er sich halt so
eine Art Kindergarten-Duktus angewöhnt.«
Gerhard sah sie
strafend an und wandte sich an Schorsch. »Und weiter?«
»Jo mei, i hät iahm
am liebschta dean Ski, an dem i grad dra war, übern Schädel nei zoga, aber so
eabas dua i ja it. Und dann hot dr Rümmele sein Ski auf de Disch na glegt, mir
fufzig Euro nagschmissa und gsagt: Bis morgen früh, gell! Und fut war der. I
hob mi no gwundret, weil des doch am Samschtig war und der mit morga ja
nochhert Sonntig gmoint hot.«
»Tja, für einen
Rümmele haben eben Ladenöffnungszeiten nicht gegolten«, sagte Jo und zu Gerhard
gewandt: »In Schorschs Weltbild kommt so einer wie der Rümmele eigentlich nicht
vor. In meinem auch nicht.«
»Genau«, sagte
Schorsch, »aber i war echt narret. Zerscht des Theater mit dr Oma, hob i denkt,
und dann traut der sich do her. Dir hilf i scho, hob i denkt.«
Jo grinste. »Und
dann hast du ihm aus Wut den Ski verschliffen. Das Schlimmste, was du jemandem
antun kannst, ist ein verschliffener Ski?«
Schorsch nickte
eifrig.
Gerhard sah vom
einen zur anderen. »Sagt mal, spinnt ihr, wovon redet ihr denn?«
Jo war mal wieder in
Fahrt: »Also ich stell mir das so vor: Der Schorsch hat mit dem Kantenschleifer
unterschiedlichen Druck auf die Kante ausgeübt und so ein Wellenprofil erzeugt.
Der Grat, der beim Schleifen entsteht, den hat er nicht wie üblich mit dem
Radiergummi abgezogen, sondern stehen lassen. So ein Ski fährt überallhin, bloß
nicht die Kurven, die ihm sein menschlicher Steuermann vorgibt! So war das
doch?«
»Genau! Aber des
wars au scho, genau wia du gsagt hosch«, sagte Schorsch und schickte hinterher: »Aber des glaubt mir der Lackaff aus Datschiburg doch nia!«
»Nein, sicher
nicht«, meinte Gerhard, »im Gegensatz zu Frau Doktor hier verstehe ich nämlich
auch nur die Hälfte, und unser Schönling Reiber hat mit Skifahren sicher nichts
am Hut.«
Jo verstand Schorsch
tatsächlich nur zu gut. Sie war schließlich selbst mal leidlich erfolgreich
Skirennen gefahren. Ein guter Ski war ein gehätscheltes Juwel, ein guter
Servicemann in Gold nicht aufzuwiegen. Und Schorsch war einer. Er hatte lange
Jahre als Head-Servicemann Wunder vollbracht, bei Eis, plötzlichem Neuschnee
und aufgefirnten Wasserpisten. Deshalb gab es für Ski-Insider im Allgäu nur
eine Adresse: »Schorschs Sport-Eck« in Immenstadt. Und das schien der Rümmele
auch gewusst zu haben.
»Hat er den Ski am
Sonntag abgeholt?«, fragte Gerhard.
»Klar – um Punkt
neine isch dr Rümmele auf dr Matte gstanda. Er hot a dämonischs Grinsa
aufghett.«
»Hat er denn gesagt,
wo und mit wem er ein Rennen fährt?«, wollte Gerhard wissen.
»So uin frog i doch
it«, ereiferte sich Schorsch. »Er hot bloß gsagt: Heut krieg ich ihn. Isch des
wichtig?«
»Wenn wir wüssten,
wen er mit ›ihn‹ gemeint hat, schon!« Gerhard zeigte plötzlich so etwas wie
Jagdeifer. Jo atmete auf, Gerhard war in das Spiel eingestiegen, gottlob!
Sie sagte: »Schorschi, pass auf. Ich schick dir jetzt den Bruckner Robert, das ist kein
Jurapack, sondern ein seriöser Anwalt. Den kennst du auch noch aus der Schule.
Der soll dich beraten. Und – schon wahr, der Lackaff muss das nicht wissen.«
Schorsch lächelte: »So gfallts mir, und schauts bei dr Oma vorbei, dia macht si Sorga.«
Die beiden nickten
und verließen das Gefängnis.
Draußen packte
Gerhard Jo rüde am Arm und riss sie zu sich herum: »Du weißt schon, dass wir
uns in eine Ermittlung einmischen und zudem Fakten verschweigen.«
Jo jubilierte
innerlich. Er hatte »wir« gesagt!
Sie mümmelte ein
leises »Hmm« heraus und fügte lauter hinzu: »Komm, ich lade dich zum Essen ein,
wir müssen nachdenken, aber nicht mit leerem Magen.«
Dicke Wolken waren
aufgezogen. Der milde föhnige Wintertag war binnen einer halben Stunde einem
Schneetreiben gewichen. Ein typischer schneller Wetterumsturz hier am Nordstau
der Alpen, der in kürzester Zeit eine anmutige Landschaft in ein Inferno aus
Weiß verwandeln konnte. Keine Konturen waren mehr zu sehen, und natürlich ergab
dieser Schlechtwetter-Cocktail stadtauswärts ein absolutes Chaos. Es war
spiegelglatt, und zu allem
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