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Schussfahrt

Schussfahrt

Titel: Schussfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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identisch erzählt.
Dir, was Volker nicht weiß, mir in Oberdorf und Volker auf dem Revier. Sie ist
gegen halb elf mit ihrem Hund Gassi gegangen. Sie sah Rümmeles Auto kommen,
einen jungen Mann aussteigen, der sofort in einen wartenden Golf umgestiegen
und mit einem Mädel am Steuer davongebraust ist. Frau Müller kann nicht
ausschließen, dass es Schorsch gewesen ist. Und sie ist absolut glaubwürdig.«
    »Scheiße, aber es
war doch stockdunkel.« Jo klammerte sich an einen Strohhalm.
    »Schon, aber sie hat
die Jacke genau beschrieben.«
    »Aber solche Jacken
gibt es doch mehrere?« Jo rannte im Zimmer auf und ab.
    »Nicht allzu viele.
Vier vielleicht noch, aber Schorsch hat keine Ahnung, wo die sind. Habe er wohl
mal verschenkt, sagt er. Er ist stur wie ein Hackstock. Zur fraglichen Zeit sei
er in seinem Zimmer neben dem Laden gewesen, habe Sportkataloge gewälzt und
Bestellungen geschrieben. Niemand kann das bestätigen. Die Oma hat im
Obergeschoss schon geschlafen. Du kennst ja ihre Einschlaftees, die hauen
selbst ein Rhinozeros um!«
    »Aber der Reiber
kann ihn doch nicht nur aufgrund einer solchen Zeugenaussage hin einsperren!«,
tobte Jo.
    »Kann er schon,
zumindest vierundzwanzig Stunden lang. Er war stocksauer. Der Schorsch muss ihm
irgendwie das Kraut ausgeschüttet haben.« Gerhard zuckte die Schultern.
    »Ich glaub das
einfach nicht!« Jo schüttelte den Kopf.
    »Ich auch nicht.
Aber komm, wir haben eine Besuchserlaubnis.« Gerhard legte ihr eine Hand auf
die Schulter.
    Schweigend fuhren
sie von der Polizeistation »Auf der Breite« los. Als sie am Stift, dem
Mittelpunkt der barocken Stiftsstadt, vorbeikamen, seufzte Jo tief. Im Kornhaus
unter dem schweren Gewölbe, wo im Winter der Wochenmarkt abgehalten wurde, war
sie schon lange nicht mehr gewesen. Sie betrachtete die gewaltige St.
Lorenz-Basilika heute fast wie eine Touristin, überrascht angesichts der
erhabenen Größe und der strengen Ausstrahlung. Früher, da hatte man sich auf
dem Wochenmarkt auf einen »Ratsch« getroffen. Die Verkaterten des Kemptner
Nachtlebens hatten durch intensive Gaben von Weißwürsten gehofft, wieder auf
die Beine zu kommen. Schade, nicht mal für die kleinen Dinge des Lebens war
mehr Zeit.
    Schon wieder eine
Unterlassungssünde. Jo wäre gern einmal wieder durch Kempten gebummelt, über
den St. Mang-Platz mit seinen herrlichen Rokoko- und Barockfassaden, die
Freitreppe hinauf zur Fußgängerzone. Ein bisschen Shopping hätte ihrer
vernachlässigten Garderobe auch nicht geschadet.
    »Vergangenheitsblues,
hm?« Gerhard sah Jo an, die starr geradeaus schaute, und bog in eine kleine
Gasse ein. Zwischen dem Kornhaus und dem Adenauerring schmiegte sich ein
Altkemptner Scherbenviertel mit winkligen Gassen und schnuckligen
Hinterhofgärten an den Hang. Die Lage war viel zu altstadt-romantisch für einen
Knast! Schweigend betraten sie das Gebäude der JVA .
Der Beamte zog die Stirn kraus.
    »Von einer
Zivilistin war aber nicht die Rede!«, maulte er, aber Gerhards Blick ließ ihn
in sich zusammensinken. Er hob lasch die Hand, ging voran und öffnete eine Tür.
    Schorsch saß da, die
Schultern nach vorn gebeugt, unrasiert. Er war irgendwie geschrumpft, die
blauen Augen wirkten verwaschen wie eine Jeans nach Hunderten von
Schleudergängen.
    »Du brauchst einen
Anwalt, nicht uns«, sagte Gerhard ruhig.
    Schorschs Augen
sandten Blitze. »Dem Jurapack trau i it. Dir scho. Mit dir hob i scho Hei
gmacht, bei dr Oma.« Das ließ keine Widerrede zu. Er fuhr fort in seinem
Allgäuerisch: »Schauts, dia saget, a Zeugin häb mi im Rümmele seim Auto gseah,
und a Föhl hätt mi in am Golf mitgnomma. I kenn it amol a Föhl mit am Golf.«
    »Mensch, Schorsch,
ob du ein Mädchen mit einem Golf kennst oder nicht, das ist doch total egal. Es
geht um diese Jacke«, schnaubte Gerhard.
    »Ja mei, des waret
so Werbedinger. Was wois denn I, wo dia na kumma sind. Aber dir wisset doch,
dass ich nia net uin umbring. I hob doch dem Rümmele nix dua. Bloß meh …«
    »Bloß?« Gerhards
Stimme hatte ein gefährliches Tremolo angenommen.
    Schorsch starrte zu
Boden, riss den Kopf hoch und stieß trotzig aus: »Ich hob ihm halt d Ski
verschliffa.«
    »Du hast was? Wann?
Wieso?« Jos Stimme war zu laut und schrill, wie bei einer dieser
Brüll-Talk-Shows im Fernsehen.
    »Der Rümmele isch am
Samschtig zu mir in d Lada kumma und hot dean neia Atomic Race Carver dabei
ghett – du woisch scho, dean wo die ganze Rennleifer au fahret, drunter hots
der Rümmele ja

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