Schussfahrt
unterrichteten Kreisen eher etwas fürs Kino?«, wollte Volker
wissen.
Marcel lächelte.
»Wie gesagt, wir sind eine Regionalzeitung und können es uns nicht leisten zu
mutmaßen. Ich bemühe mich, fair zu sein. Ich habe auch schon sehr positiv über
die Rümmele-Bau berichtet, aber das hat Frau Rümmele wohl vergessen.«
Volkers fragender
Blick hieß ihn weiterzusprechen.
»Als sich die
Rümmele-Bau hier angesiedelt hat, habe ich die neuen Arbeitsplätze
hervorgehoben, und was glauben Sie, da habe ich natürlich von ganz anderer
Seite Kritik geerntet. Ich sei ein Hofschreiber für die Großkapitalisten. Was
denken Sie, was Lokaljournalismus oft für ein Affentanz ist. Ein
Kasperletheater. Wenn jemand in die Zeitung kommen will, dann sind wir gut
genug. Hofberichterstattung, das erwarten sie wirklich. Aber wehe, wir
schreiben mal was Kritisches, dann prasseln Leserbriefe über uns herein. Ja,
die Leute stehen sogar vor meiner privaten Tür und beschimpfen mich. Wenn wir
irgendeine Sauerei in der Lokalpolitik aufdecken, dann heißt es sofort, wir
wären politisch einseitig. Der Vorwurf kommt wahlweise von den Schwarzen und
den Roten. Im Fall des Event Castle wurde der Zeitung sofort unterstellt, wir
würden das Vorhaben torpedieren und Rümmele stürzen. Dabei ging es nur um die
Wahrheit. Wir haben die Zahl der zu erwartenden Einnahmen für die Region
genauso thematisiert wie den ökologischen Wahnsinn, in einer höchst fragilen
Auenlandschaft zu bauen. Solche Kandidaten stürzen sich meist selbst. Rümmele
wäre meiner Einschätzung nach auch baden gegangen. Es ging nur um die Fakten.
Darum geht es immer. Das ist seit Watergate so.«
»Na, da stehen Sie
ja in illustrer Tradition«, stichelte Volker.
Marcel Maurer ließ
sich aber offenbar nicht provozieren. »Das hat gar nichts mit illuster oder
nicht zu tun. Die Mechanismen sind in der großen Politik die gleichen wie im
Kleinen. Ich will Ihnen damit nur klarmachen, dass ich da ungeheuer viele Leute
hätte ermorden müssen.« Er lächelte bitter. »Oder genau genommen wäre es
andersrum. Ich wäre längst tot, so oft, wie ich bedroht werde. So oft, wie
sogar meine Freundin bedroht wird.«
Volker horchte auf.
»Frau Lohmeier wird bedroht?«
»Nun, was heißt
bedroht. Das geht subtiler ab. Da schreibe ich etwas Negatives über die
Feuerwehr eines Ortes, und schon steht der Kommandant vor der Tür. Ich bin
nicht zu Hause, Patrizia öffnet ihm, und er meint, dass so ein Holzhaus doch
sehr leicht Feuer fange. Und da wäre es schade, wenn die Feuerwehr zu spät
käme.«
»Und der Kommandant
ist nicht zufällig ein Freund von Herrn Rümmele?«, fragte Volker.
Marcel wirkte
irritiert. »Sie drehen mir das Wort im Munde um. Wahrscheinlich ist er ein
Kumpel von Rümmele. Em, ein Kumpel gewesen! Alle Funktionsträger sind doch in
einem undurchschaubaren Netz verwoben. Aber auch das ist ganz normal. Ich
versuche, Ihnen laufend Beispiele zu geben, wie meine Arbeitsbedingungen nun
eben sind. Ich beklage mich auch gar nicht. Ich könnte ja was anderes machen.
In die PR gehen beispielweise, so
wie Jo.«
»Aha, Frau Doktor
Kennerknecht kennen Sie also auch?«
Marcel Maurers
bisher neutraler Ton wurde schärfer. »Herr Reiber. Natürlich kenne ich sie, sie
ist die Chefin meiner Freundin!«
Patrizia hatte
bisher nur da gesessen und ein Loch in den mitgenommenen Parkettboden gestarrt.
Jetzt aber hob sie den Kopf. Sie schien müde. Ihre Stimme war schleppend.
»Marcel, was soll’s! Erzähl ihm doch den Rest. Herr Reiber wird doch sowieso
jede Faser unseres zutiefst kriminellen Lebens durchleuchten.«
Volker zog die
Augenbrauen hoch. Waren hier eigentlich alle jungen Frauen so bitterböse?
»Welchen Rest?« Er sah zwischen Marcel und Patrizia hin und her.
Marcel seufzte und
legte Patrizia eine Hand aufs Knie. »Ich war mal mit Jo zusammen. Wir waren ein
Paar, wie man so schön sagt. Es hat nicht funktioniert. Voilà, that’s it.«
Volker ging ein
Licht auf. »Und jetzt sind Sie mit Frau Lohmeier ein Paar, wie man so schön
sagt, aber Frau Kennerknecht weiß nichts davon!«
Patrizia schnaubte
mal wieder in ein Taschentuch. »Ja, am Anfang hat sich das irgendwie nicht
ergeben, und später kam es uns dann unpassend vor, plötzlich mit der Enthüllung
aufzuwarten. Ach, Jo, übrigens, was ich dir immer schon mal sagen wollte: Ich
bin mit Marcel zusammen.«
Marcel nickte. »Ja
genau, und Jo kann ziemlich ätzend-sarkastische Kommentare abgeben. Ich hatte
dafür keinen
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