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Schusslinie

Schusslinie

Titel: Schusslinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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Er legte auf.
     
    Häberle hatte sich vorgenommen, den dienstlichen Ärger zu vergessen
und endlich mal wieder ein Wochenende zu genießen. Immerhin war es das erste Sommerwochenende – und außerdem spielte Deutschland gegen Brasilien.
In solchen Fällen trug er einen kleinen Fernseher ins Freie, zog ein Antennenkabel
durchs Schlafzimmerfenster im Erdgeschoss und machte sich’s mit seiner Frau Susanne
auf den gepolsterten Gartenstühlen gemütlich. Zuvor hatte es Schnitzel vom Blech
gegeben, dazu köstlichen Kartoffelsalat und ein Weizenbier.
    Susanne freute sich, ihren August nach fast
vier angespannten Wochen in gelöster Stimmung zu erleben. Er hatte ihr beim Abendessen
noch einmal die Situation geschildert und sich seinen Frust über Bruhns Verhalten
von der Seele geredet, doch jetzt wollten sie sich ganz dem Fußballspiel hingeben,
das die ganze Nation mit Begeisterung verfolgen würde. Auch Susanne, eigentlich
kein Fußballfan, ließ sich von dieser Euphorie anstecken – schließlich hatten ja
die deutschen Fußballfrauen am vorherigen Wochenende den Europameister-Titel geholt.
Alles deutete darauf hin, als ob’s mit Fußballdeutschland aufwärts ginge.
    Als ein strahlender Jürgen Klinsmann ins Bild
kam, meinte Häberle: »Ich möchte bloß wissen, wie der das geschafft hat. Innerhalb
von weniger als einem Jahr hat er unsere Jungs auf Vordermann gebracht. Das ist
mir ein Rätsel. Und falls die heute gegen Brasilien gewinnen, muss mir ein Mensch
erklären, was da passiert ist.«
    »Willst du damit sagen, da geht etwas nicht
mit rechten Dingen zu?«
    Häberle grinste und konzentrierte sich auf
den Anpfiff.
     
    Auch Martin Striebel hatte es sich in seinem Lieblingssessel bequem
gemacht. Auf dem sündhaft teuren Monitor, der gestochen scharfe Bilder lieferte,
stürmten die Deutschen erfreulich stark gegen die Brasilianer an. Striebel griff
gerade nach seinem Rotweinglas, als der grüne Rasen jäh in einem Inferno aus grau-schwarzem
Flimmern und monotonem Rauschen unterging. Für einen Augenblick nur blieb der Mann
ruhig sitzen, dann schoss es aus ihm heraus: »Was zum Teufel ist denn jetzt los?«
    Seine Frau blieb gelassen. »Störung«, sagte
sie, als ob die Zeiten, da Fußballübertragungen auf diese Weise abrupt unterbrochen
wurden, nicht längst vorbei seien.
    »Red doch net daher«, entfuhr es ihrem Mann,
dessen Adern an den Schläfen schlagartig zu pochen begannen. Er fingerte nervös
nach der Fernbedienung, drückte unkontrolliert auf mehrere Tasten – doch auf dem
flimmernden Bildschirm tauchten nur in einer Ecke die gelben Zahlen der gewählten
Kanäle auf, ohne dass wieder ein Bild erschienen oder ein Ton zu hören gewesen wäre.
    »Scheißdreck«, entfuhr es ihm. Er warf die
Fernbedienung auf den Glastisch zurück, sprang ruckartig auf, ging die paar Schritte
zum Fernsehgerät und schlug mit der Faust dagegen.
    »He, he«, versuchte ihn seine Frau zu besänftigen,
»was kann der Apparat dafür?«
    Striebel geriet außer sich vor Zorn. Erneut
begann er, an der Fernbedienung zu fingern – vergeblich. Weil er die Lautstärke-Taste
gedrückt hielt, schwoll das Rauschen an und füllte das Wohnzimmer. Beinahe hätten
die Striebels den Türgong nicht gehört.
    »Auch das noch«, wetterte der Mann, warf die
Fernbedienung, ohne die Lautstärke zu reduzieren, wütend auf den Sessel und verließ
das Wohnzimmer, um im Flur den Hörer von der Türsprechanlage zu nehmen. »Ja?« Er
lauschte. Doch von draußen drang keine Stimme an sein Ohr. »Ja?«, schrie er, sodass
seine sonore Stimme das ganze Erdgeschoss erfüllte. Aber da war niemand.
    »Welcher Idiot spielt an unserer Klingel rum?«,
tobte er, steckte den Hörer in die Verankerung zurück, riss die Wohnungstür auf
und eilte durch das kurze Foyer zur Eingangstür, die er ebenfalls mit einem Ruck
öffnete. Die abendliche Sommerhelle schlug ihm entgegen, es roch nach Heu, die Luft
war lau. Am Ortsrand von Aichelberg hatten Landwirte das trockene Wetter genutzt
und die Wiesen gemäht. Striebel schaute verärgert über den schmalen Vorgarten zur
Straße, bis sein Blick den Zettel traf, der vor ihm auf dem Boden lag, beschwert
mit einigen Kieselsteinen. Für einen Augenblick stutzte er, dann bückte er sich
irritiert und zog das Stück Papier unter den Steinen weg. Mit schwarzem Filzstift
stand da in ungelenkiger Schrift zu lesen: ›Hast Warnung nix kapiert! Heute Kabel
tot – morgen du‹.
    Striebel blieb wie elektrisiert stehen. Wie
in Trance nur hörte

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