Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman
einer Hand eine Zigarette.
»Wenn Sie was verkaufen wollen, vergessen Sie’s.« Sie wollte die Tür schon wieder zudonnern.
Schuster hatte blitzschnell einen Fuß dazwischen gestellt. »Kripo Bremen. Mein Name ist Hauptkommissar Schuster.« Er warf einen Blick auf das Klingelschild. »Frau Kröger?«
Die Frau nickte knapp.
»Es geht um die tote Frau, die in den Wallanlagen gefunden wurde.«
Die Frau vor ihm wurde prompt blass. Sie nahm einen tiefen Zug von ihrer Zigarette. »Furchtbar.«
»Haben Sie irgendetwas bemerkt, Frau Kröger? Haben Sie Geräusche gehört? Schreie vielleicht? Ist Ihnen etwas aufgefallen?«
Schuster musste das genaue Datum nennen, und die Frau überlegte eine ganze Weile. Dann nahm sie einen weiteren, tiefen Zug. »Nee. Habs nur in der Zeitung gelesen. Ich hab geschlafen, Herr Kommissar. Was man normalerweise so macht, mitten in der Nacht.«
»Ihre Wohnung liegt in Richtung Wall ...«
Sie unterbrach ihn gleich. »Mein Schlafzimmer liegt zur anderen Seite. Wollen Sie das überprüfen?« Sie trat sogar einen Schritt zur Seite.
Schuster verneinte.
Aus den Augenwinkeln sah er, dass Grätsch mit seinem Klopfen endlich Erfolg gehabt hatte. Er hörte ihn die Fragen aussprechen, die er selbst gerade gestellt hatte.
Die Frau vor Schuster wurde etwas ungeduldig. »Ist sonst noch was? Meine Kinder müssen zur Schule.«
»Nein, das war’s, vielen Dank.«
Die Tür wurde zugeknallt, er nickte der geschlossenen Tür zu und ging zu Grätsch, der den Mann vor sich gerade fragte, ob er einen tiefen Schlaf hätte.
»Ich nehme manchmal eine Schlaftablette«, antwortete der.
»Haben Sie in dieser Nacht eine Tablette genommen?«
»In dieser?« Der Mann machte ein verdutztes Gesicht. »Letzte Nacht habe ich sehr gut geschlafen, auch ohne ...«
»Nicht in dieser Nacht. In der Nacht, in der die Frau getötet wurde.«
Schuster musterte den Mann vor ihm. Er war um die fünfzig und hatte ein aufgedunsenes Gesicht. Seine Augen waren rastlos und wanderten ständig zwischen Schuster und Grätsch hin und her. Manchmal blinzelte er etwas.
»Fehlt Ihnen etwas?«, fragte er ihn.
Der Mann seufzte leise. »Das Wetter. Ich bin sehr wetterfühlig, wissen Sie. Wenn das Wetter umschlägt, bekomme ich Kopfweh.«
Schuster nickte. Das kannte er. Er hatte vor Jahren Urlaub in Bayern gemacht, und der dortige Föhn hatte ihm den gesamten Urlaub vermiest.
»Liegt Ihr Schlafzimmer nach vorn zum Wall hinaus?«, wollte Grätsch wissen.
Der Mann schüttelte den Kopf. »Zu Anfang schon. Aber es war mir irgendwann zu laut.«
Grätsch machte: »Hmm.«
»Wie haben Sie von dem Mord erfahren?«, fragte Schuster. Das fragte er immer nach kurzer Zeit. Es war ein paar Mal passiert, dass sich jemand verhaspelte. Jemand, der mit einem Mord zu tun hatte, war selten so abgebrüht, dass er auf solche Fragen ruhig und nüchtern antwortete.
»Aus der Zeitung«, sagte der Mann leise und schüttelte den Kopf. »Schrecklich. Ganz furchtbar.« Er rieb sich die Schläfen.
Schuster verspürte prompt ebenfalls einen leisen Anflug von Kopfschmerzen. Vielleicht schlug das Wetter schon wieder um.
»Danke, Herr Hagedorn. Das war’s fürs Erste.« Grätsch nickte dem Mann zu.
Schuster war bereits eine Treppe höher gelaufen. Hinter sich hörte er Grätschs Schritte.
Auch die anderen Bewohner des Hauses hatten nichts gehört. Gesehen sowieso nicht.
Müde und frustriert fuhren Schuster und Grätsch zurück ins Büro. Grätsch mit beschleunigtem Puls vom vielen Treppensteigen und Schuster mit pochenden Kopfschmerzen.
Am nächsten Morgen rief Schuster Silke an und fragte, ob sein Bass noch im Keller sei.
»Natürlich. Oder glaubst du, ich hätte ihn im Kamin verfeuert?«, gab sie schnippisch zurück.
Zerknirscht und merkwürdig schuldbewusst legte er auf und biss auf seinen Stift.
Grätsch, der ihn dabei beobachtete, zog die Stirn kraus.
»Silke?«, fragte er nur.
Schuster nickte grimmig.
Die halbe Nacht hatte er wach gelegen, weil er darüber nachgedacht hatte, ob Albert Stolze für den Mord an seiner Frau infrage kam. Er musste noch mal zu ihm fahren und mit ihm sprechen.
Vielleicht gab es auch einen Zusammenhang zwischen diesem Mord und dem an Carmen Wolfrat, das würde natürlich eher gegen Stolze als Täter sprechen.
Er streckte beide Beine aus und versetzte damit dem Papierkorb unter seinem Schreibtisch einen Tritt, sodass er mit einem Scheppern umkippte. Der gesamte Inhalt verteilte sich auf dem Boden.
Er bückte sich, um
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