Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman
nächsten, und dann, wenn der Sommer sich bereits verabschiedet hatte, blühten die ersten Rosen zum zweiten Mal und lieferten sich fast ein Wettrennen mit denen, die den Herbst ankündigten.
Jana liebte diesen Garten. Heute Abend, in der Dämmerung, kam er ihr allerdings merkwürdig fremd vor.
Immer wieder blickte sie sich ängstlich um.
Ein paar Horrorfilme, die sie im Laufe ihres Lebens gesehen hatte, fielen ihr ein: Michael Myers mit der gruseligen weißen Maske, kreidebleiche, schwarzhaarige Mädchen in weißen Kleidern, die blutend und mit ausgestreckten Armen herumliefen, und die kleine Carol-Ann, die vor dem Fernseher hockte und den seltsamen Stimmen lauschte. Sie alle kauerten jetzt hier irgendwo, versteckten sich vor ihr, flüsterten ihr etwas zu, beobachteten sie.
Schluss jetzt!
Sie richtete sich auf und bemühte sich, ruhig zu bleiben. Selbst schuld, warum sah sie sich auch immer wieder diese dämlichen Filme an?
Sie marschierte entschlossen zur Haustür.
Plötzlich hörte sie ein Scheppern und fuhr heftig zusammen. Was war das?
Wie angewurzelt blieb sie stehen und lauschte. Sie spürte ihren Herzschlag im Hals.
Wo war dieses Scheppern hergekommen?
Jana drehte sich einmal um sich selbst, konnte jedoch nichts Außergewöhnliches entdecken.
Langsam ging sie zurück zu ihrem Auto, sprang hinein und verriegelte die Tür.
Du benimmst dich total albern! Was ist bloß los mit dir?
Sollte sie zurück zum Haus gehen und klingeln?
Unsinn. Es war idiotisch zu glauben, Alexandra wäre im Haus. Ihr Auto stand nicht vor der Tür, und das Haus war unbeleuchtet. Es gab nicht das kleinste Anzeichen, dass ihre Freundin hinter der Gardine stand und sich über sie amüsierte.
Ihre Finger zitterten, als sie den Zündschlüssel umdrehen wollte. Plötzlich sprang etwas auf die Motorhaube, und sie stieß einen spitzen Schrei aus.
Zwei Pfoten erschienen auf der Windschutzscheibe und eine feuchte Nase wurde dagegen gedrückt.
»Oh Gott ... Frieda!« Sie brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. Dann öffnete sie die Tür und hob Alexandras Katze vom Auto. »Du hast mich zu Tode erschreckt!«
Frieda war das vollkommen schnuppe. Sie ließ sich nur kurz kraulen, dann krallte sie ihre Pfoten in Janas Oberschenkel und gab ihr damit zu verstehen, dass sie lieber weiterziehen würde.
Jana stieg wieder in ihren Fiat und dachte nach.
Was sollte sie tun? Wo sollte sie Alex noch suchen?
Die einzige Möglichkeit war die, es in ihrem Laden zu versuchen. Alex hatte vor einigen Jahren einen kleinen Naturkostladen im Viertel übernommen.
Jana schüttelte den Kopf. Warum bin ich nicht gleich dorthin gefahren?
Weil es nicht naheliegend war, deshalb. Alexandra Bernstein war nicht der Typ, der freiwillig Überstunden machte. Sie liebte ihren Laden, er sicherte ihr Einkommen, er machte sie sogar glücklich, aber sie liebte ihr Leben außerhalb des Berufes noch mehr.
Was ist, wenn sie auch dort nicht ist? Was mache ich dann?
Während der ganzen Fahrt fragte sie sich das.
Der Kloß in Janas Hals wurde immer dicker, je näher sie dem Viertel kam.
Um diese Zeit war hier eine Menge los. Draußen vor den Kneipen und Cafés saßen Leute, aus einigen Häusern erklang Musik und irgendwo spielte jemand Cello.
»Na, Süße, so ganz allein?«, rief ein bärtiger Typ, als sie sich ihre Nase am Schaufenster plattdrückte.
»Alex?«, rief sie dreimal hintereinander, auch wenn das völlig dämlich war.
Über ihr wurde ein Fenster geöffnet. »Was is `n da unten los?«
Sie trat einen Schritt zurück und legte ihren Kopf in den Nacken.
Ein junger Mann im weißen Unterhemd stand am Fenster. »Kann ich irgendwie behilflich sein?«
»Meine Freundin ... ich suche meine Freundin ...«
»Du suchst ’ne Freundin?« Der Typ kicherte. »He, da kenn ich noch jemanden.«
»Ich suche meine Freundin.«
»Aha. Und da dachtest du, du guckst mal eben, ob noch ’n Laden auf hat?«
»Nein, ich ... ach, vergiss es!« Sie klopfte noch mal an die Tür und dann ans Schaufenster.
»Und was soll das werden, wenn’s fertig ist?«, wollte der Bursche oben am Fenster wissen.
»Geh ins Bett und lass mich in Ruhe!«, fauchte sie ihn an.
Ihre Nerven lagen ziemlich blank, das spürte sie, und sie hatte noch nicht mal ein schlechtes Gewissen, weil sie den Kerl angepflaumt hatte.
Er lachte und knallte das Fenster zu.
Jana rüttelte an der Tür. »Alex? Bist du da drin?«
Wieder rüttelte sie am Türgriff und klopfte mehrmals hintereinander.
Plötzlich
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