Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman
hübsch ...
Außerdem würde er den Anblick ihrer Eltern, die ihre Tochter identifizieren mussten, wahrscheinlich sein Leben lang nicht vergessen. Hannah Beckers Mutter hatte so laut geschrien und sich an ihren Mann geklammert, dass Schuster um ein Haar mitgeheult hatte, so nahe war es ihm gegangen.
Er zog den Reißverschluss seiner Jacke hoch und holte tief Luft.
Warum hatte der Mörder Hannahs Klamotten in den Mülleimer geworfen? War er gestört worden? Und vor allem: Hatte er ihr einen Knutschfleck verpasst? Ihre Mitbewohnerin hatte erzählt, dass Hannah einen Freund hatte, der in Hildesheim wohnte. Stammte der Knutschfleck von ihm? Oder hatte Hannah Becker eine Affäre gehabt?
Auf dem Rückweg sah er Jana oben am Fenster stehen, es war das Küchenfenster, wie er wusste. Er winkte ihr zu und sah, wie sie das Fenster öffnete.
»Meine Güte, du bist ja beinah um dein Leben gerannt!«, rief sie ihm zu.
Er nickte und trippelte auf einer Stelle. »Ich brauchte das heute Abend.«
»Möchtest du kurz raufkommen?« Sie wartete seine Antwort gar nicht erst ab.
Er hörte den Türsummer und schnupperte an seiner Achsel.
Für ein, zwei Sätze würde es reichen, beschloss er.
»Was ist passiert?«, war das Erste, was sie sagte, als er in ihrer Küche stand.
Er wusste, dass er keine Chance hatte, ihrem Blick auszuweichen. Er würde sie ja doch nicht anlügen können. »Wir haben eine tote Frau gefunden, Jana.«
»Schon wieder?«, hauchte sie und wurde blass.
Er rieb sich die Augen. »Eine junge Studentin.«
»Wie furchtbar ...« Sie stellte sich ans Fenster.
»Versprich mir, dass du besonders gut auf dich aufpasst«, sagte er einem plötzlichen Impuls folgend.
Sie drehte sich zu ihm um. »Versprochen.«
Es klingelte an der Tür.
Schuster blickte ihr nach, wie sie zur Tür ging und wünschte, er hätte seinen Mund gehalten. Er sollte sie nicht mit solchen Dingen belasten.
Jana kam mit Claas Meinert in die Küche.
Er hatte eine Zeitung in der Hand und tippte mit versteinertem Gesicht auf die Schlagzeile. »Ist das wahr? Ist sie wirklich tot?«
Schuster wusste nicht, was er sagen wollte.
Meinert hielt ihm die Zeitung unter die Nase. »Das Mädchen, das am Achterdiek-See gefunden wurde, Hannah, Hannah Becker. Ist sie wirklich tot?«
Er ließ sich auf einen Stuhl fallen und legte das Gesicht in beide Hände. »Das kann doch nicht sein!«
Schuster war etwas verwirrt. »Du kanntest Hannah Becker?«
Meinert nickte.
Schusters Herz schlug bis zum Hals. Ein unangenehmes Gefühl machte sich in seinem Hals breit. »Woher kanntest du sie, Claas?«
Meinert blickte auf. »Woher ich sie kannte? Vom Theater.«
»Tut mir leid, ich kann nicht ganz folgen.« Schuster sah erst zu Meinert, dann zu Jana. »Ich fürchte, ich verstehe nicht ...«
»Ich arbeite am Theater, Heiner.« Meinert seufzte müde.
»Du arbeitest ... als was, wenn ich fragen darf?«
Schuster ging auf, dass sie nie über Meinerts Beruf gesprochen hatten.
»Als Maskenbildner«, erwiderte Meinert.
Jana hatte ihre Arme um sich geschlungen, so als sei ihr kalt.
Schusters Magen zog sich schmerzhaft zusammen.
Maskenbildner ... Perücke ... Genau diese beiden Wörter schwirrten ihm durch den Kopf.
Das muss nichts bedeuten ... Das muss überhaupt nichts bedeuten ... Denk nach, Schuster, bevor du auf so einen Stuss kommst!
»Hast du vielleicht einen Schnaps da?«, fragte er mit brüchiger Stimme, die ihn selbst überraschte.
Jana nickte etwas irritiert.
»Ich auch, bitte.« Meinert hatte nicht aufgesehen.
Schweigend tranken sie einen Schnaps.
Schusters Gedanken drehten sich im Kreis.
Claas war also Maskenbildner, hatte mit Perücken zu tun.
Unzählige Menschen in Bremen haben jeden Tag mit Perücken zu tun, das heißt gar nichts!
Schuster bat um ein weiteres Glas Schnaps.
Nach einer Weile sagte er schließlich: »Du hast bestimmt von den Morden gehört. Die beiden Frauen ...«
Meinert nickte langsam. »Natürlich. Jeder hat davon gehört.«
Schuster schluckte bemüht. »Wir glauben, dass der Täter eine Perücke getragen hat ...« Noch während er es aussprach, kam es ihm selbst vollkommen idiotisch vor. Sollte er jeden Friseur, jeden Verkäufer verdächtigen, nur weil er Perücken verkaufte, sie Schauspielern auf den Kopf drapierte? Dann müsste er auch gleich jeden Schauspieler verdächtigen.
Noch bevor er aufstehen und gehen konnte, war Jana auf ihn zugeschossen. Sie fasste ihn am Ellbogen und zischte leise: »Ich denke, es ist besser,
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