Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman
wenn du jetzt gehst, Heiner.«
Er stolperte über den Flur, und vermutlich hätte sie ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen, hätte er nicht seinen Fuß in die Tür gestellt. »Jana, bitte, hör mir zu!«
»Nein, du hörst mir zu! Claas Meinert ist der liebenswürdigste, höflichste und gutmütigste Mensch, den ich kenne!«, fauchte sie ihn an. »Und er ist mein Nachbar, den ich seit vielen Jahren kenne. Und er kümmert sich um meine Tochter, wenn ich mal wieder länger arbeiten muss. Und er kümmert sich auch um mich, wenn ich ...« Sie brach ab.
Schusters Fuß klemmte noch immer in der Tür. »Jana, lass es mich erklären. Ich bin ziemlich ...«
»Hau ab! Geh weg!«
Sie stemmte sich gegen die Tür, und er stemmte sich von der anderen Seite dagegen.
Zentimeter für Zentimeter schob er die Tür weiter auf, bis er vor ihr stand.
Trotzig und wütend schüttelte sie den Kopf, und er konnte nicht anders: Vorsichtig nahm er sie in die Arme und hielt sie eine Weile fest.
»Verdächtigst du Claas?«, murmelte sie wütend in seinen nassgeschwitzten Pulli. Sie versuchte, sich loszumachen, aber er hielt sie fest.
»Ich hab nicht behauptet, dass ich ihn verdächtige. Die Frage eben ist mir nur so rausgerutscht.«
Sie hob den Kopf und sah ihm ins Gesicht. »Heiner, meine Tochter geht mindestens zweimal die Woche zu ihm.«
Er nickte niedergeschlagen. »Ich weiß, Jana, ich weiß ...«
Erst jetzt bemerkte er Meinert, der hinter Jana stand und ihn verwirrt und fassungslos ansah. »Verstehe ich das richtig? Du verdächtigst mich ...?«
Schusters Gesicht brannte. »Nein, ich ... Wir müssen jeder Spur nachgehen, Claas, und du ...«
Meinert schob Jana sanft zur Seite. »Ja? Was, Heiner? Ich bin Maskenbildner, ich habe jeden Tag mit Perücken zu tun, ja. Das allein macht mich verdächtig, ein Frauenmörder zu sein?«
Jana sah erst zu Schuster, dann wieder zu Meinert. Sie war kreidebleich geworden. »Am besten ihr geht, alle beide. Ich möchte nicht, dass meine Tochter irgendetwas von dieser ... Farce mitbekommt.«
Meinert legte ihr eine Hand auf den Arm. »Ich werde mit ihm reden. Es wird sich alles aufklären, Jana.«
Sie nickte kurz und knallte die Tür zu.
Meinert sah Schuster an. »Möchtest du mich gleich verhaften?«
Schuster fühlte sich hundeelend. »Claas, ich ...«
Meinert winkte ab und ging zu seiner Wohnungstür. »Lass uns reingehen.«
Meinert saß Schuster gegenüber in einem abgegriffenen, urgemütlich aussehenden Ledersessel. Er strich etwas fahrig über die speckige Armlehne.
»Hannah liebte das Theater. Sie war ein so talentiertes Mädchen. Sie liebte Shakespeare. Sie war bei fast jeder Shakespeare-Aufführung dabei. Am liebsten mochte sie den Sommernachtstraum. Einmal Titania, die Königin der Elfen zu spielen, das war ihr Traum.« Er sah Schuster an. »Warum fragst du mich nicht, was ich zum Zeitpunkt ihres Todes getan habe?«
Schuster stand auf. »Besser, ich gehe jetzt wieder.«
Meinert stand ebenfalls auf. »Nein. Ich möchte, dass das jetzt geklärt wird. Frag mich.«
Schuster ging einfach an ihm vorbei.
Meinert kam hinter ihm her und hielt ihn mit einer Hand am Arm fest. Er sah ihn eindringlich an. »Ich kannte das Mädchen, ja. Und ich mochte Hannah. Wann ist sie ... getötet worden?« Man sah ihm an, wie schwer es ihm fiel, diesen Satz auszusprechen.
Schuster wäre am liebsten nach draußen gerannt. »Gut. Ich frage dich. Wo warst du vorgestern gegen 23 Uhr?«
Meinert musste kurz nachdenken. »Vorgestern? Ich bin früh schlafen gegangen. Mittwochs muss ich immer sehr früh raus.«
Schuster atmete tief durch.
Meinert sah ihn an. »Du kannst dich in meiner Wohnung umsehen. Perücken habe ich nicht hier, die sind im Fundus.«
Schuster seufzte langanhaltend. Noch immer schwieg er.
»Ich bin homosexuell, Heiner«, sagte Meinert schließlich. »Vielleicht hätte ich dir das sagen sollen. Aber ich habe schlechte Erfahrungen gemacht. Viele Menschen, besonders Männer, ziehen sich sehr rasch zurück, wenn sie das hören. Vermutlich befürchten sie, dass ich in einem unbedachten Moment über sie herfalle.« Er verzog das Gesicht.
Schuster hätte gern etwas entgegnet, sich erklärt. Er hatte überhaupt kein Problem damit, dass Claas schwul war, und das würde er ihm gern sagen. Doch Meinert redete gleich weiter. »Ich mag Frauen. Frauen sind wunderbare Geschöpfe, ich könnte nicht mit einer zusammenleben, aber ich finde sie faszinierend. Wie sollte ich da auf die Idee kommen, sie zu
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