Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman
purer Lust. Sein Vorgehen ließ eher auf jemanden schließen, der kühl und bedacht vorging.
Kuhn stand auf, weil ihn der Hunger plagte.
Und wenn der Mörder wirklich vorher in den Wohnungen seiner Opfer gewesen war ...
Das Telefon auf seinem Tisch klingelte, und er überlegte, es einfach klingeln zu lassen. Schließlich seufzte er und nahm doch den Hörer ab. »Hier Kripo Bremen, Kriminalkommissar Kuhn am Apparat. Mit wem spreche ich?« Er meldete sich immer so vorschriftsmäßig, wie er es gelernt hatte.
Eine Männerstimme raunte: »Ich kann nicht mehr. Ich schlepp’ das schon viel zu lange mit mir rum.«
Kuhn schluckte. Der Kloß in seinem Hals rutschte trotzdem nicht einen Millimeter. »Wer sind Sie?«
»Egal, wer ich bin, ich hab sie umgebracht.«
»Sagen Sie mir Ihren Namen. Und wen wollen Sie umgebracht haben?« Kuhn straffte die Schultern.
»Heidi. Heidi Stolze, ich hab sie umgebracht.«
»Warum haben Sie sie umgebracht?« Falsche Frage, Moritz, ganz falsche Frage ...
Der Mann räusperte sich. »Ich hab sie geliebt. Sie war eine klasse Frau, aber sie wollte mich nicht.« Er schniefte lautstark.
»Hat sie das gesagt?«, hakte Kuhn nach.
»Ich bin eben kein Akademiker, nur ’n ganz normaler Arbeiter. Aber geliebt hab ich sie wie sonst keiner.«
Kuhn atmete tief durch. »Das glaub’ ich Ihnen.«
»Sie war bildschön.«
Kuhn nickte eifrig, er hatte die Leiche gesehen. Er dachte fieberhaft nach. Irgendwas musste ihm einfallen, und zwar ganz schnell!
»Sie war so schön.« Der Mann schniefte wieder.
»Ja, sie war wirklich schön. Woher kannten Sie sie?« Ja, das war gut!
»Aus der Schule. Sie war doch Lehrerin hier.«
Kuhn war nah dran, ganz nah dran! »Sie sind auch Lehrer dort?«
Kuhn konnte kaum stillsitzen, so aufgeregt war er.
»Hören Sie mir eigentlich nicht zu? Ich hab gesagt, ich bin kein Akademiker.« Der Mann stöhnte auf. »Was will sie auch mit ’nem Hausmeister? Aber geliebt hab ich sie.«
Hausmeister! Vor Aufregung warf Kuhn die Stiftbox vom Tisch.
»Hören Sie, es ist gut, dass Sie Ihr Gewissen erleichtern. Es ist schwer, mit so was zu leben.« War das feinfühlig genug?
»Ich kann nicht mehr«, jammerte der Mann am anderen Ende.
»Wenn es ein Unfall war, dann können wir doch ...« Als es heraus war, wusste Kuhn, dass er etwas Blödes gesagt hatte. Er biss sich auf die Unterlippe.
»Es war kein Unfall, verdammt! Ich hab so oft versucht, mit ihr zu reden. Aber sie hat mir gar nicht zugehört. Gelacht hat sie. Gerd, hat sie gesagt, komm schon, ich bin verheiratet, das weißt du doch. Als wenn ihr Mann sich was aus ihr gemacht hätte!«
Gerd ... Hausmeister ... Kuhns Herz hämmerte wie wild.
Es rauschte und knackte in der Leitung.
»Ich werde springen!«
Moritz Kuhn erstarrte. »Sie werden was?«
»Ich springe.«
»Halt! Bitte warten Sie!« Kuhns Magen rutschte eine Etage tiefer. »Hören Sie, es gibt für alles eine Lösung!« Er hörte ein Rascheln, dann war plötzlich eine eigentümliche, unheimliche Stille.
Kurz darauf ein entfernter Schrei.
Moritz Kuhn legte seinen Kopf auf die Tastatur und flüsterte immer wieder: »Ich bin so ein Idiot, so ein gottverdammter Idiot!«
Kurz darauf erschien Schuster in der Tür. »Moritz, er hat gestanden. Hoppe hat Hannah Be... Was ist mit dir?« Er ging zu seinem Kollegen, der käseweiß dasaß und auf seinen Tisch starrte. »Moritz?« Er berührte ihn leicht an der Schulter, und Kuhn zuckte zusammen.
»Er ist gesprungen«, raunte er fassungslos und schüttelte fassungslos den Kopf.
»Wer ist gesprungen?«
Kuhn blickte durch Schuster hindurch. »Er hat gesagt, er hätte sie geliebt, aber sie wollte ihn nicht. Er hat sie umgebracht, und jetzt ist er gesprungen.«
Gerd Ohlendorf war vom Siemens-Hochhaus in den Tod gesprungen.
Er war mit dem Gesicht zuerst aufgekommen, und bei dem Anblick drehte es so manchem Polizisten den Magen um.
Sie hatten alle Hände voll zu tun, die herumstehenden, sich die Hälse verrenkenden Passanten davon abzuhalten, sich unter den Absperrungen hindurchzuzwängen, um mit ihrem Handy einen gelungenen Schnappschuss zu machen oder einen Film zu drehen, den sie anschließend beim Abendessen den Lieben daheim präsentieren konnten.
Einzel-Haft
Schuster schrieb seine Berichte zu Ende, aß in der Kantine einen Salat und verzichtete auf seinen zweiten Morgenkaffee. Die Kopfschmerzen kamen wie angeflogen.
Am Nachmittag waren sie so heftig, dass er sich eine Tablette vom Doc holte. »Bis zum Mittag
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