Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman
eintreten und zeigte auf den hinteren Raum geradeaus.
Im Flur roch es nach gebratenem Fisch, und Schuster wollte partout nicht einfallen, ob heute Freitag war. Er trottete ins Wohnzimmer.
»Bitte setzen Sie sich doch.«
Schuster ließ sich in einen braunen Clubsessel fallen und konnte sich vorstellen, auf der Stelle einzuschlafen.
»Wie trinken Sie Ihren Tee, Herr Kommissar?«
Schuster wusste keine Antwort. »Um ehrlich zu sein, ich bin nicht der geborene Teetrinker. Wie trinkt man ihn denn?«
Fagott lächelte. »Das kommt auf Ihren Geschmack an. Ich bevorzuge ihn pur, manchmal nur mit ein wenig Zitrone. Aber vielleicht mögen Sie ihn lieber mit Sahne.«
Schuster war überfordert, und das sah man ihm wohl an.
»Ich werde einfach alles hinstellen, und Sie probieren es aus.«
Damit war Schuster zufrieden, und Fagott rollte aus dem Zimmer.
Vielleicht hätte ich meine Hilfe anbieten sollen?, überlegte Schuster.
Er hörte Fagott in der Küche hantieren, und nach einigen Minuten, er war gerade ein bisschen eingedöst, kam Fagott zurück.
Er hatte ein beladenes Tablett auf den Knien, das er auf einem kleinen Tisch gleich neben dem Clubsessel, in den Schuster sich gelümmelt hatte, abstellte. »Haben Sie es gleich gefunden?«, erkundigte er sich.
Schuster wusste gerade nicht, was Fagott meinte. Er schenkte sich Tee ein und griff nach der Sahne. Dann entschied er sich doch dagegen.
»Ich hoffe, Sie hatten keine Unannehmlichkeiten durch mich?«
Wieder verstand Schuster nicht, was Fagott meinte. Wahrscheinlich machte ihm sein nahender Infekt zu schaffen. »Schon in Ordnung«, murmelte er und probierte seinen Tee. »Oh, der ist wirklich gut.«
»Sehen Sie.« Fagott lächelte wieder.
»Was wollten Sie mir denn erzählen?«, fragte Schuster dann.
Nun mal Butter bei die Fische ...
Fagott räusperte sich etwas. »Tja, wissen Sie ... Ich habe natürlich die ganze Sache in den Medien verfolgt. Ich bin Psychiater, wissen Sie.«
»Ach?«
»Ich habe einen Patienten, der mir ... eigentlich bin ich an meine ärztliche Schweigepflicht gebunden.«
Schuster trank seinen Tee aus und stellte die Tasse ab. »Ich weiß, Herr Fagott.«
Oder muss ich ihn Doktor nennen?
»Nun ja. Er hat ja nicht gestanden. Es sind nur die Äußerungen, die er macht.«
Schuster wusste gar nichts mehr. In seinem Kopf hatte sich eine Art Vakuum breit gemacht. Es fühlte sich an, als hätte er ein Kilo Watte im Schädel. Es rauschte in seinen Ohren, vor seinen Augen flimmerte es und ihm wurde merkwürdig blümerant. Außerdem hatte er das starke Gefühl, nicht mehr zuhören zu können. Er konnte im Grunde kaum noch die Augen offen halten.
Er versuchte zu schlucken. »Tut mir leid, mir ist ... schlecht und ich bin so unglaublich ... müde«, lallte er.
Er hörte Fagott irgendwas sagen, es klang, als würde er in eine Röhre sprechen und kilometerweit weg sein.
Schuster versuchte, sich zusammenzureißen. Er kniff die Augen zusammen, und plötzlich war ihm klar, dass er sehr wahrscheinlich jeden Moment aus dem Sessel kippen würde.
Und er würde nichts dagegen tun können.
Genau so kam es. Wie in Zeitlupe rutschte Schuster aus dem braunen Clubsessel und fiel auf den flauschigen hellen Teppich, direkt vor die Füße Fagotts.
Als Moritz Kuhn am nächsten Morgen mit den für ihn typischen großen Schritten ins Büro gestürmt kam, fragte Lahm ihn: »Haben Sie Schuster schon gesehen?«
»Sollte ich?«, gab Kuhn zurück und gähnte herzhaft. »Gibt’s noch keinen Kaffee?«
»Gunnar hat sich krank gemeldet«, meinte Lahm zerstreut.
Kuhn schüttelte den Kopf. »Wenn Herr Grätsch krank ist, leidet die ganze Etage an Kaffeeunterversorgung.«
Er ging zur Kaffeemaschine und setzte einen anständigen starken Kaffee auf.
»Schusters Handy ist ausgeschaltet.« Lahm schüttelte den Kopf.
Sie riefen in sämtlichen Krankenhäusern an, ob Schuster dort eingeliefert worden war. Sie versuchten sogar, Silke zu erreichen.
Schließlich fuhr Lahm zu Grätsch, besorgte sich Schusters Zweitschlüssel und machte sich auf den Weg zu Schusters Wohnung.
Sein Kater kam ihm bereits auf dem Flur entgegen, laut maunzend und ausgesprochen schlecht gelaunt.
Er fütterte den ausgehungerten Kater, und während er das tat, beschlich ihn das ungute Gefühl, dass irgendwas ganz und gar nicht in Ordnung war.
Heiner Schuster würde seinen Kater niemals sich selbst überlassen, und er würde sich nie einfach aus dem Staub machen, dafür war er einfach nicht der Typ. Aber
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