Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman
Heiner. Das Fieber muss ja irgendwann runtergehen, nicht wahr? Wie fühlen Sie sich heute?« Der Mann fragte immer, wie er sich fühlte.
Und wie immer schwieg Schuster. Er wusste nicht, wie er sich fühlte. Er fühlte nur Durst und Schmerzen, teilweise höllische Schmerzen, überall in seinem Körper. Seine Zunge war noch immer geschwollen, seine Augen brannten und waren oft so verklebt, dass er sie gar nicht aufbekam. Seine Muskeln schmerzten so sehr, dass er manchmal Zuckungen und Krampfanfälle hatte, wenn es besonders schlimm war. Sein Magen zog sich oft so heftig zusammen, dass er vornüberkippte und minutenlang so verharrte. Einmal hatte er so heftige Kopfschmerzen gehabt, dass er die Besinnung verloren hatte.
Das hatte ihm der Mann erzählt, er selbst hatte keine Erinnerung daran.
Mittlerweile hatte er Angst vor jeder neuen Schmerzwelle, die ihn heimtückisch und ohne jede Vorwarnung erfasste. Noch nie in seinem Leben hatte er solche Schmerzen gehabt. Und noch niemals vorher solchen Durst!
Auch seine Sprache war so gut wie verschwunden, die einfachsten Sätze brachte er nicht raus. Jedes Wort verlangte ihm schon so viel ab, dass er hinterher vollkommen erledigt war.
Er schnaufte und spürte schon wieder, wie die Hitze sich in ihm ausbreitete. Auf seiner Oberlippe hatte sich ein kleiner Film gebildet, und sein Hemd klebte am Körper fest.
»Ich habe Sie im Fernsehen gesehen, Heiner. Sie hatten gebeten, dass man sich melden möge, wenn man Hinweise geben könnte zu den Morden an den beiden Frauen.« Wieder lächelte der Mann und faltete die Hände wie zum Gebet.
»Ich fand Sie ... sympathisch. Und ich wollte Hinweise geben. Wirklich. Ich könnte Ihnen helfen, Heiner.«
Im Bruchteil von wenigen Sekunden fiel Schuster alles ein:
Die Morde an den Frauen, seine Kollegen Grätsch und Kuhn, sogar an Lahm musste er denken.
Alles hatte er plötzlich ganz klar und deutlich vor sich.
»Ich hatte Sie angerufen, erinnern Sie sich nicht mehr?«
Der Mann lächelte vor sich hin. »Sie haben meinen Orangenschalentee gemocht, Heiner. Wissen Sie noch?«
»Sie sind ... der Mann im ... Rollstuhl?«
Der Mann musste sich etwas zu ihm herunterbeugen, damit er ihn verstehen konnte. »Wie Sie sehen ...« Er zeigte auf seine Beine. »Eine kleine List, die Sie mir hoffentlich verzeihen.«
»Aber ... warum?« Schuster sank auf die stinkende Matratze zurück.
Der Mann zuckte die Achseln. »Wissen Sie, ich habe schon immer davon geträumt, jemanden als Gast bei mir zu haben. Jemanden wie Sie.«
Er stand auf und ging im Zimmer auf und ab.
Schuster verfolgte ihn mit den Augen.
Dann wurde ihm schlagartig so übel, dass er es nicht mehr schaffte, einen Eimer oder ähnliches zu verlangen.
Er drehte den Kopf zur Seite und erbrach sich auf den Teppich. Er würgte, bis nur noch Galle kam.
Sein Kopf dröhnte und pochte.
Der Mann lächelte nicht mehr. »Schämen Sie sich! So eine Schweinerei, sehen Sie sich das mal an!« Und er drehte Schusters Kopf mit einem Ruck so heftig und brutal zur Seite, dass dieser laut aufschrie. »Sie sollen hinsehen, hab ich gesagt!«
Schuster zuckte zusammen, als ihn etwas in die rechte Seite traf. Er wurde zur Seite geschleudert und blieb liegen. Wieder traf ihn ein Stoß, ein Tritt in den Rücken, direkt in die Nieren, und er schrie leise auf.
Fäuste droschen auf ihn ein, trafen ihn am Kopf, wieder in der Nierengegend und im Gesicht.
Er versuchte, die Schläge und Tritte abzuwehren. Aber wie, wenn man an Händen und Füßen gefesselt ist? Also krümmte er sich zusammen und wartete darauf, dass die Schläge aufhörten.
Aber bevor das geschah, wurde er ohnmächtig.
Das Fieber wollte einfach nicht sinken.
Seine Kopfschmerzen hatten etwas nachgelassen, und seine Erinnerung war zurückgekehrt, wenigstens phasenweise. Es gab Stunden, da arbeitete sein Verstand auf Hochtouren. Was nicht bedeutete, dass er die Zusammenhänge erfasste und verstand, was hier und jetzt mit ihm passierte. Bruchstücke seiner Vergangenheit drängten sich in seine Erinnerungslücken. Manchmal träumte er von einer Frau.
Seine Beine waren bleischwer, und er hatte Mühe, sie zu bewegen. Mittlerweile war er sicher, dass er nicht lebend hier rauskommen würde.
Ihm fiel ein, dass er ein Bulle war. Seine Kollegen würden nach ihm suchen, wahrscheinlich hatten sie schon alle Hebel in Bewegung gesetzt.
Solche Momente, in denen er bei Bewusstsein war und relativ klar denken konnte, waren selten.
Er hatte einen scheußlichen,
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