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Schutzengel mit ohne Flügel

Schutzengel mit ohne Flügel

Titel: Schutzengel mit ohne Flügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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erreicht zu haben. Ruhe und Glück, was will der Mensch mehr. Er saß im Café und las die neueste Nummer der Zeitschrift Bibliophilos, die einen interessanten Artikel über die Fische und Vögel der Renaissancezeit enthielt. Sein Leben war jetzt mehr als vollkommen, zumal ihm Viivi Honigtee und einen frischen Pfannkuchen servierte.
    Nur der Schneeregen, der zum finnischen Frühling gehört, verdarb ein wenig die Stimmung, aber das war rasch korrigiert. Der Schutzengel wischte die Wolken vom Himmel und ließ die Sonne scheinen.
    »Aaretti, uns geht es richtig gut, nicht wahr?«, sagte Viivi Ruokonen.
    »Stimmt. Auch die Gehirnerschütterung lässt nach.«
    Viivi betrachtete Aaro, der seinen Pfannkuchen kaute. Ein netter Mann, wenn auch ziemlich alt, schon vierzig, schade. Doch was bedeuteten letztlich die fünfzehn Jahre Altersunterschied? Die Männer starben sowieso vor ihren Frauen, was also machte es da aus, ob man fünf Jahre früher oder später Witwe wurde. Plötzlich waren ihr diese seltsamen Gedanken peinlich, und sie ärgerte sich über sich selbst. Was hatte sie sich in die Angelegenheiten fremder Menschen einzumischen! Aber die Anwesenheit des Mannes ließ ihr keine Ruhe. Sie fragte ihn, ob er tatsächlich richtige Bücher geschrieben hatte. Er sah ihr verwundert in die Augen, wurde dann rot und erzählte schnell, dass er einfach nur so zum eigenen Vergnügen die Geschichte seiner Heimatgegend, eine Art belletristischer Rückschau auf die einzelnen Epochen der Einödgemeinde Savukoski, schreibe.
    »Eine Chronik mehr oder weniger. Wahrscheinlich kommt sowieso nichts dabei heraus, diese ganze Schreiberei ist doch ziemlich kompliziert.«
    Viivi dachte im Stillen, dass er vermutlich klüger daran getan hätte, Verwalter der Pellet-Fabrik zu bleiben, das Einkommen wäre sicherer gewesen. Wo lag dieses Savukoski überhaupt? Wohl irgendwo im Norden.
    »Hast du schon viel Text fertig, darf ich darin lesen?«
    Aaro Korhonen erhob sich behände und eilte nach oben, um seine Mappe zu holen, dann packte er einen Stapel Manuskriptseiten auf den Tisch. Viivi beugte sich hinunter und las das Titelblatt:
    Savukoski. Das Leben eines Einöddorfes vom Mittelalter bis ins dritte Jahrtausend, Verfasser A. Korhonen.
    Aaro erzählte schüchtern, dass er an den Anfang der Handlung eine Szene mit einem Savukoskier Bärenjäger gestellt habe, eine Art Stimmungsbild von der Atmosphäre am Lagerfeuer in einem Frostwinter irgendwann in den 60er-Jahren.
    »Damals wurde ich zwar gerade erst geboren, aber in Büchern darf man ja wohl schreiben, was man will«, erklärte er mit verlegenem Eifer. Dann las er Viivi ein paar Auszüge vor, in denen der Großwildjäger Albert Ikäheimo, genannt Ikä-Alpi, in seinem Winterlager hantiert.
     
    Alpi zerhackt einen Kloben und schnitzt aus dessen trockenem Inneren dünne Späne, sogenannte Spreißel. Als er genügend beisammenhat, sammelt er sie auf und steckt sie in eine Ritze zwischen den Kieferkloben. Nun zündet er die Spreißel an, die Flammen greifen allmählich auf die Kloben über, und sie verkohlen. Das Lagerfeuer ist entzündet – Alpi beabsichtigt, draußen an einem vereisten Bach im Tal des Pöytesvaara zu übernachten.
     
    »Solche Stimmungsbilder sagen dir wahrscheinlich nichts?«, fragte er Viivi. Sie bat ihn weiterzulesen, obwohl sie sich tatsächlich nicht sonderlich für den Bärenjäger von anno dunnemals interessierte.
     
    Alpi holt Brot und getrocknetes Rentierfleisch aus seinem Rucksack. Er schneidet von dem Brot dünne Streifen ab, die er abwechselnd mit dem Rentierfleisch verzehrt. Der Kessel ist heiß: Alpi schneidet mit der Spitze seines Dolches eine Kaffeepackung auf, schüttet nach Augenmaß Kaffee in das siedende Wasser, dann nimmt er den Kessel vom Feuer, damit sich der Kaffee setzt.
     
    Aaro war so eifrig bei der Sache, dass er aufstand und eine richtige Lesung für Viivi veranstaltete, die jetzt konzentriert zuhörte.
     
    Die Abendsonne geht langsam unter. Der große Schatten des Pöytesvaara fällt auf Alpis Standort. Die Landschaft verdunkelt sich. Das Feuer glüht rot zwischen zwei Holzkloben. Alpi greift nach dem Kessel und füllt seinen Becher, er schnitzt sich aus einem Birkenreis einen Stab zum Umrühren und genießt in aller Ruhe den heißen, schwarzen Kaffee.
    Langsam senkt sich die Nacht über die Einöde. Der Frost verschärft sich und lässt den matschigen Schnee hart und fest werden. Die Landschaft ruht still in der grimmigen Kälte. Überall

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