Schutzengel mit ohne Flügel
hatte. Die Reparatur des verbeulten Fahrzeugs hatte etwa so viele Tage beansprucht wie die Obduktion des Mannes und die anderen erforderlichen Vorbereitungen.
Das Landeskriminalamt interessierte sich derart für die mysteriöse Überweisung an Aaro Korhonen, dass eines Morgens eine Polizeistreife bei ihm im Laden erschien und ihn verhaftete. Die Ermittler in der Wirtschaftsabteilung waren zu dem einhelligen Schluss gelangt, dass dieser Antiquitätenhändler auf besonders dreiste Art und Weise versucht hatte, einige der fähigsten Kriminalisten des Landes zu täuschen. Es handelte sich offensichtlich um eine illegale Geldwäscheoperation, bei der versucht wurde, den Polizeiapparat, speziell jene Kräfte, die in Wirtschaftsdelikten ermittelten, auszunutzen. Ein so mieser Trick war den Beamten noch nie untergekommen.
Aaro Korhonen saß betrübt in einer öden Zelle des Polizeigefängnisses von Pasila und zerbrach sich den Kopf darüber, was er jetzt tun sollte. Hohe Bußgelder für Verkehrsdelikte und Geldwäsche, keine geringe Sündenlast für einen unbescholtenen Mann.
Viivi Ruokonen hielt Antiquariat und Café geöffnet, sie war ja nicht schuld daran, wie sich die Dinge entwickelt hatten. Sulo Auvinen verfolgte besorgt die Ereignisse. Er konnte nicht verstehen, warum man seinem Schützling derart übel mitspielte. Jetzt war eine Situation eingetreten, in der die Allmacht des Schutzengels wirklich gebraucht wurde. Sulo beschloss, erneut zu handeln. Zuallererst musste Aaro aus der Untersuchungshaft geholt werden, und dann musste eine anständige Frau für ihn her. Viivi Ruokonen war für Aaro zu jung, das war Sulo klar, und er überlegte, wer für ihn als Partnerin infrage kam.
Die Welt ist voll von Frauen, jeder zweite Mensch ist eine Frau. In Aaros Fall musste es eine sein, die ihren Grips beisammenhatte, kein Weibchen, sondern eine, die ihren eigenen Willen hatte und die Fähigkeit, alles durchzusetzen, was sie sich vornahm. Sulo Auvinen erinnerte sich, dass er vor fünf Jahren – noch zu Lebzeiten – Referent auf einer Rüstzeit in Lieksa gewesen war. Damals hatte er eine fromme Frau von etwa vierzig Jahren kennengelernt, die also jetzt auf die fünfzig zuging und die in jeder Weise für den Zweck geeignet war: stattliche Figur, feste Prinzipien hinsichtlich der Lebensweise, unerschütterliche Abstinenz und ein Selbstbewusstsein von fast beneidenswertem Ausmaß. An ihr hätte Aaro einen wahren Schatz, besser ging es gar nicht. Diese Frau hieß Ritva Nuutinen.
Der Schutzengel flößte Fräulein Nuutinen eine gewaltige Portion Liebe ein und lenkte diese neuen Gefühle nach Helsinki in die Mechelininkatu. So Hals über Kopf verfiel eine Frau in mittleren Jahren nicht einem unbekannten Mann. Sulo Auvinen hatte jedoch im Laufe seines langen Lebens genug Erfahrungen gesammelt, vor allem das Seelenleben und die Liebessehnsucht einsamer Frauen verstand er gut. Er ließ Fräulein Nuutinen in einen leichten Schlummer fallen, in dessen weicher Umarmung er sein süßes Werk vollzog. Mehr war nicht nötig. Umgehend machte sich die resolute Frau an die Reisevorbereitungen. Die Frischverliebte stieg in die Regionalbahn und fuhr nach Joensuu, von dort weiter mit dem Schnellzug nach Helsinki, wo sie gegen Morgen eintraf. Um diese Zeit wurde auch Aaro Korhonen aus dem Polizeigefängnis von Pasila entlassen, denn es hatten sich keine Beweise gegen ihn gefunden. Das Geld war einfach auf seinem Konto aufgetaucht, und fertig.
Besessen von zielstrebiger Liebe, fuhr Fräulein Nuutinen mit dem Taxi in die Mechelininkatu und bestellte bei Viivi Ruokonen ein leichtes Frühstück – eine Tasse Milchkaffee und ein Stück Obstkuchen. Dabei warf sie einen Blick auf den Ladeninhaber und entschied, dass dies der Mann ihres Lebens war.
Schutzengel Sulo Auvinen breitete zufrieden seine gewaltigen Schwingen aus und dachte bei sich, dass es zwar auf Aaro Korhonens irdischem Weg ein paar Missgeschicke gegeben hatte, doch spätestens jetzt eröffnete sich ihm wieder ein glückseliges Leben.
11
FRÄULEIN NUUTINENS
ERKUNDUNGSANGRIFF
Ritva Nuutinen war von Beruf Lehrerin. Sie hatte also noch ihren ganzen Sommerurlaub vor sich, denn das Schuljahr endete in Kürze. Die Nuutinen hatte an ihrer Grundschule in Lieksa mit dem Rektor vereinbart, dass sie ihren Urlaub ein paar Tage früher antreten würde. Die übliche Hymne auf den Sommer mochte an ihrer Stelle eine andere Lehrerin mit den Kindern singen. Sie selber hatte den geheimnisvollen,
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