Schutzengel mit ohne Flügel
Dabei entging ihm völlig, dass Viivi Ruokonen drüben im Café wütend mit dem Geschirr klapperte und keinen Anteil an der Präsentation des Büchergeschenkes nahm. Aaro Korhonen hingegen sah sich die Bücher an, darunter waren viele schöne und offensichtlich teure Raritäten. Olavi Kares' Luther. Porträt und Entwicklungszeit (WSOY 1944), Ignatius de Loyolas Geistliche Übungen (Finnische theologische Literaturgesellschaft 1977), Martin Luthers Erläuterungen zum Galaterbrief des heiligen Paulus (Finnischer lutherischer Evangeliumsverein 1932), Sophy Burnhams Buch der Engel (Karisto 1955), Lauri Takalas Geschichte der finnischen evangelischen Bewegung, I-II (Finnische kirchenhistorische Gesellschaft 1929-37), Seppo A. Teinonens Grundkurs der Symbolik (Gaudeamus 1978) sowie das von Elizabeth Hallama herausgegebene Heilige Männer und Frauen. Wer sie sind und wie sie helfen (Karisto 1996). Dies, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Aaro Korhonen schrieb jeweils in die rechte obere Ecke des Deckblattes seine Preisvorstellung, die sich zwischen fünf und fünfzig Euro bewegte. Fräulein Nuutinen stellte ihm die Werke mündlich vor. Sie hatte tatsächlich einen Teil davon gelesen, auf jeden Fall hatte sie alle in ihrem Hotelzimmer durchgeblättert, sodass sie ihr Büchergeschenk gut beurteilen konnte. Die Preise, die sie selbst bezahlt hatte, hatte sie sorgfältig ausradiert, aber sie wusste noch ungefähr, was sie für jedes Buch ausgegeben hatte. Ab und zu, wenn sie Aaro weitere Bücher reichte, streifte ihre zierliche Hand zwanglos und quasi aus Versehen seine männliche Hand, und jedes Mal begegneten sich dann ihre Blicke, um gleich wieder zum Bücherstapel zurückzukehren.
Viivi Ruokonen, die im Café herumklapperte, interessierte sich nicht fürs Aufhäufen von Bücherbergen, und als Aaro sie bat, Kaffee zu kochen und ein paar belegte Brote zurechtzumachen, konnte sie sich nur widerwillig zu der Arbeit durchringen.
Nach dem Kaffee und dem Imbiss fragte Aaro Korhonen, wie viel er seiner neuen Kundin schuldig sei. Wie sich denken lässt, nahm Fräulein Nuutinen kein Geld für ihren religiösen Bücherstapel. Sie erklärte, dass sie dem frischgebackenen Antiquar ein bescheidenes Geschenk machen wolle, wie sie es bereits bei ihrem vorigen Besuch angedeutet habe. Sie fügte noch hinzu, dass sie in der kommenden Woche, sowie die neuen Abiturienten ihre Studentenmützen erhalten hätten, abermals ins Büchercafé kommen werde.
»Ich habe mir vorgenommen, dann zwei, drei Raritäten mitzubringen. Bei der Gelegenheit könnte ich vielleicht ein, zwei Tage hierbleiben und die Regale ordnen. Ich mag alte Literatur wirklich sehr.«
Schutzengel Sulo Auvinen betrachtete mit Wohlgefallen den fertig ausgezeichneten Bücherstapel. Besonders zwei der Geschenke von Fräulein Nuutinen würdigte er sehr: das Buch der Engel und das Werk namens Heilige Männer und Frauen. Wer sie sind und wie sie helfen.
Fräulein Nuutinen erschien am Tag nach den Abiturfeiern erneut im Büchercafé. Aaro Korhonen empfing sie freundlich, Viivi war noch gereizter als sonst. Sie zischte Aaro zu, dass sie nicht recht begreife, was dieser alte, parfümierte Pfau im Laden zu suchen habe. Aaro murmelte, dass er selbst nicht recht wisse, worum es gehe, aber jedenfalls sei diese Nuutinen eine freundliche Frau und sie habe wieder Bücher mitgebracht.
Dieses Mal handelte es sich bei Fräulein Nuutinens Mitbringsel um Aapeli Saarisalos Wörterbuch der Bibel (WSOY 1952) sowie um das von Jaakko Haavio und Oskar Paarma herausgegebene Gottes Ackerboden. Die finnische Kirche 1155-1955 (Gesellschaft für innere Mission der finnischen Kirche 1955).
»Dieser Paarma ist ja unser heutiger Erzbischof oder vielleicht der Vater des Erzbischofs«, erklärte Fräulein Nuutinen. Dann bat sie Viivi um den Staubsauger und verkündete, dass sie sowohl den Raum mit den Antiquitäten als auch den Buchladen reinigen würde, die Serviererin könne sich um ihr Café kümmern.
Das war zu viel für Viivi Ruokonen. Sie schleppte den Staubsauger aus dem Hinterzimmer des Cafés herbei und stieß ihn mit dem Fuß zu Fräulein Nuutinen hinüber, dann wandte sie sich wütend an Aaro Korhonen und sagte deutlich hörbar:
»Hier werden keine Putzfrauen und auch keine Büchersortiererinnen gebraucht. Falls sie doch gebraucht werden, bin ich hier wohl überflüssig.«
Aaro Korhonen verstand nicht recht, was Viivi meinte.
»Ich kündige und suche mir eine neue Arbeit. Ich finde garantiert
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