Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)
Richie.
Schutzkleidung is nich! Der Gehörschutz
« HÄ ? WAT ?», schreit Jimmy zurück. Ich hatte ihn gefragt, warum er an der Kreissäge keine Ohrenschützer trägt. Das Sägeblatt frisst sich mit donnerndem Lärm durch die Steine, und das Geräusch verursacht physische Schmerzen, sobald man den Raum betritt.
Ich trete ganz dicht heran und brülle ihm direkt ins Ohr:
« WARUM DU KEINE OHRENSCHÜTZER TRÄGST , MANN !»
« WAT ? WAT SAGST DU ?»
Ich drücke den roten
Aus
-Knopf, und das Heulen des Blattes verklingt langsam. Vielleicht zehn Sekunden habe ich neben der Säge gestanden, und schon summt es mir in den Ohren. Und Jimmy steht schon seit drei Stunden an der Maschine!
«Ich habe gefragt, warum du keinen Gehörschutz trägst. Der Krach ist ja unerträglich.»
« WIESO SOLLTE ICH ? ICH BIN DOCH NOCH FIT », brüllt er noch immer, obwohl die Maschine schon längst zum Stehen gekommen ist.
Rainer und ich sandstrahlen gemeinsam im dritten Stock. Der Raum hat sich längst gefüllt mit Sand und Staub. Plötzlich sehe ich seine Umrisse vor mir. Er deutet auf eine imaginäre Uhr am Handgelenk und gibt mir damit das Zeichen zur Mittagspause. Daumen hoch – und wir beide lassen die Totmannschaltung los.
Mein linker Ohrstöpsel ist sandig und rutscht an diesem Tag ständig heraus. Nun, da ich den Helm vom Kopf ziehe, bemerke ich einen hellen, konstanten Piepton im Gehörgang. Das stundenlange Dröhnen und Rauschen während des Sandstrahlens ist eine riesige Belastung für das Gehör.
«Rainer, hast du noch irgendwo neue Ohrstöpsel? Der hier rutscht dauernd raus», brülle ich, denn mein Kopf dröhnt.
«Glaub nich, dat waren die letzten. Aber scheiß drauf! Brauchste nich!»
«Wie? Brauche ich nicht? Mir brummt der ganze Schädel! Da wird man ja ganz matschig in der Birne!»
«Ach, stell dich nicht so an. Ich benutz auch nie welche. Trinkste danach ’nen schönen Unicum, dann geht dat Dröhnen weg.»
«Das ist seit Jahren dein Job, und du hast noch nie Ohrstöpsel benutzt?»
«Am Anfang vielleicht. Aber die Dinger verrutschen immer, merkste ja. Dat nervt. Außerdem: Nur die Harten kommen innen Garten, wa?»
«Jaja, lass uns Mittag machen. Hast du gehört? MITTAG MACHEN !»
Hans, Richie und ich bessern die Mauer am Westgiebel aus. Während ich die Steine mit dem Stemmhammer bearbeite, steht Richie an der Säge und schneidet die Ecksteine für die Wasserseite zurecht. Es ist so laut, dass sogar Hans sich Ohrenschützer aufgesetzt hat.
Richie hingegen hat seine Schützer lässig über den Griff der Säge gehängt. Ich stoppe die Makita und gehe drei Schritte zu ihm rüber.
« RICHIE , WIESO NIMMST DU DIE NICHT ?»
« ACH WAT , DAT IS WIE MUSIK FÜR MICH ! HÖR DOCH MA !»
Dann schiebt er einen Stein dröhnend ins Sägeblatt und grinst mich an. Als ich mich wegdrehe ruft er noch: « UND AUSSERDEM , GEHÖRSCHUTZ IS VOLL SCHWUL !»
Kapitel 4 Werkzeugkofferspiele und «Fugenfuks»
Es ist dieser weiße, strahlende Qualm aus den Schornsteinen, der sich so kontrastreich von dem metallisch-graublauen Himmel absetzt, der Berlins Osten so pittoresk macht. Diese langsam mit sich selbst ringende Masse wirkt wie aufgedruckt. Als ob Vattenfall unsere Wolken produzieren würde.
Das erste Vogelgezwitscher begleitet mich entlang der Spree, und wie immer nach einem langen, strengen Winter empfinde ich den Gesang, gepaart mit den ersten warmen Sonnenstrahlen, wie ein vergessenes Glück, das mich aus meinem Winterschlaf reißt.
Ich habe mir ein Fahrrad gekauft. Auch wenn es frühmorgens noch ziemlich kühl ist: Frei zu sein von den Menschenmassen in der Bahn verbessert deutlich meine Lebensqualität. Zum ersten Mal fahre ich so richtig gut gelaunt zur Baustelle.
«Sanitär-Heizungs GmbH K+H» steht auf dem weißen Kastenwagen vor dem Bauzaun. Neben dem Schriftzug ist eine total bescheuerte Comicfigur abgebildet, die lachend Rohre ineinandersteckt. Vielleicht will man dem Job mit der Scheiße eine lustige Note verleihen?
Ich bin 15 Minuten zu früh, also hole ich mir noch schnell einen Kaffee beim Bäcker. Als ich unterwegs am Gebäude hochsehe, stört etwas das gewohnte Bild. Auf der letzten Gerüstebene in etwa 20 Meter Höhe steht eine der Geländerstangen wie ein Fahnenmast vom Gebäude ab. An ihrem Ende ist eine Metallbox festgeklemmt, die in der Sonne funkelt. Was soll das?
«Moin», grüßen mich die beiden Klempner mit dem K+H-Logo auf ihren Jacken, als ich die Bäckerei
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