Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)
Kennst du ja mittlerweile. Die Arschlöcher haben mir übers Wochenende die Dinger druntergeschweißt. Aber ich sag dir, der Kalle wird sich bald wundern. Mir reicht’s.»
«Aber du musst das Ding doch nicht ziehen?»
«Och, wenn dat jetz schon Rollen hat, ne.»
Der Fugenfuks und Peter stehen oben im fünften Stock und schauen sich die Fenster an.
«Das ist das beste Material. Ich benutze das in der Schweiz seit Jahren. Kennt man hier noch nicht so. Wenn ich die Fensterfugen ausgespritzt habe, kommt kein Wasser mehr rein, nie wieder. Das ist perfekt», lobt er sich selbst.
Ich rühre etwas Fugenmörtel mit wenig Wasser an und gebe ihn Peter.
«Dat wird die Farbe der Fugen, kriegst du die hin?», so Peter zum Fuks.
«Gar kein Problem, ich kann alles mischen. Das Material lässt sich super verarbeiten, da kann ich dann jeden Sand einmischen. Wird euch gefallen. Danach benutzt ihr nie mehr was anderes.»
«Ja, hm, okay. Wir fangen diese Woche damit an. Also kannst du Ende April loslegen. Und noch wat: Du kannst erst mal nur die untere Fuge machen, bis die Wetterschenkel installiert sind. Danach kannst du einmal ums Fenster fugen.»
«Es ginge schon schneller, wenn ich das direkt machen könnte. Ist ja eigentlich ein Arbeitsschritt.»
«Nee, geht nich anders. Müssen wir so machen. Nur so funktioniert dat.»
«Gut, dann machen wir das so. Also, auf Wiedersehen.»
Und schon braust der Typ wieder davon.
«Ich hoffe, der kriegt nich so ’nen roten Kopf wie sein bescheuerter Fuchs aufm Auto, wenn der anfängt zu arbeiten», sagt Peter trocken zu mir.
«Jaja, der Fugenfuks! Hat aber das beste Material, ne», erwidere ich lachend.
«Ja, das beste! So wat habt ihr in Deutschland noch nich gesehn! Haha!»
In den nächsten Wochen müssen unzählige Säcke Fugenmörtel nach oben. Im fünften Stock muss man nach draußen, um über das Gerüst noch eine Etage höher zu steigen. Nur so erreicht man die Giebelseitenstücke. Als ich mich das erste Mal mit dem 40 -Kilo-Sack durch die schmale Öffnung der Treppenluke quetsche, erinnere ich mich an die Zeit vor drei Monaten. Ich denke zurück an die Arbeiter auf der Warschauer Straße. Nun stehe ich selbst auf dem Gerüst und schleppe Säcke nach oben.
Drei Monate, wie im Fluge vergangen.
Das Gewicht der Säcke spüre ich kaum noch. Faszinierend und zugleich erschreckend, wie anpassungsfähig der Mensch ist. Ich blicke von hoch oben über die Spree, und ganz hinten am Horizont schimmert der Alex, thronend über Berlin.
Kevins angekündigte Revanche kam übrigens mit deutlicher Verspätung. Und zwar an einem herrlichen Junitag.
Die Sonne scheint, und Richie leistet mir beim Frühstück Gesellschaft.
«Aberglaube, wat fürn Quatsch. Weißte, der Scheiß mit Freitag dem Dreizehnten oder dat mit der blöden schwarzen Katze …»
«Und natürlich unter einer Leiter herlaufen …»
«Ja, genau dieser Schwachsinn. Wie kann man dat glauben? Gib ma deine Tasse, ich hol noch Kaffee.»
Kevin und Günther gesellen sich an den Nachbartisch.
«Wo isn Kalle heute?», frage ich rüber.
«Kommt bisschen später», murmelt Günther mit vollem Mund.
«Der wird sich heute wundern!», flüstert Kevin mit leuchtenden Augen.
«Wieso, was hast du gemacht? Weil heute Montag ist, oder was?», frage ich.
«Genau, Scheiß Montag, und heute ist er dran. Wirst ja gleich sehen.»
In diesem Moment weiß der arme Kevin noch nicht, was für ein gewaltiges Donnerwetter sich da über ihm zusammenbraut.
Richie und ich stehen auf dem Gerüst und arbeiten an den Fugen, als es unter uns losgeht.
«Hast du se noch alle, oder wat? Du Wichser!», brüllt Kalle. Kevin steht zusammengekauert vor ihm und guckt auf den Boden.
«Dat is kein Spaß mehr! Dat kannst du jetz wieder freimeißeln, Depp du! Dat machst du nicht mit mir. Dat macht keiner mit Kalle, hörst du!»
Kalle schmeißt ihm einen Meißel vor die Füße und haut ab. Ich muss mir die Hand vor den Mund halten, um nicht laut zu lachen.
«Ey, Richie, ich geh runter. Das muss ich sehen. Das glaubt mir niemand, wenn ich das heute in der Kneipe erzähle.»
Als ich neben dem völlig konsternierten Kevin stehe, sehe ich, was ich schon vermutet hatte. Der Kerl hat tatsächlich den Werkzeugkoffer seines Chefs mit flüssigem Zement gefüllt. Und jetzt ist er dabei, sämtliche Werkzeuge wieder freizumeißeln. Mir fehlen die Worte. Alles, was mir einfällt, ist: «Scheiße, ey!»
Aber nicht mal darauf antwortet dieses meißelnde Häufchen
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