Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)
hoch aufgerichtet vor ihm steht.
«… ich brauche nur kurz, du weiß!», beendet Jimmy den Satz.
«Wieso haste denn keine eigene? Ich bin doch hier kein Verleih, Mann!»
Hans schaut rüber zu mir und fragt: «Und wat brauchst du?»
«Eine Säge, um die Platte zurechtzuschneiden.»
«Mann, ey! Okay, Nick, du gehst runter mit Jimmy. Die Säge ist in der Box, und gib ihm die Alu-Leiter … und schließ den Wagen wieder ab! Und Jimmy, keine Schmiererei auf der Leiter, verstehst du? Ich werd sauer, wenn mein Werkzeug schmutzig ist, ja?»
«Ja gut, Hans, ich bin korrekte Arbeiter, du weiß. Immer ehrlich.»
Und dann blickt er mich an und fragt ansatzlos: «Bist du auch Christ?»
Bitte, was? Was will der jetzt? Auch Hans guckt ungläubig.
«Äh, na ja, ich kann mit Glauben nicht viel …», beginne ich einen Satz, aber Jimmy spricht sofort weiter.
«Wir sind alle Brüder! Ich bin kein Moslem, weiß du. Ich bin ehrliche Christ! Glaubst du mir nicht, eh? Pass auf!»
Ohne zu zögern, zieht er erst seine Jacke aus, dann seinen Wollpullover.
«Ist okay, ich glaube dir», versuche ich etwas aufzuhalten, von dem ich nicht mal weiß, was es wird.
«Nein, guck hier, ich bin Palästinenser, aber ich bin Christ!»
Jetzt reißt er sich wirklich auch noch das T-Shirt vom Leib! Und in diesem Moment – sozusagen als göttliche Untermalung – weht es vom Ostgiebel Eiskristalle in den Raum.
«Hier, Maria, unsere Maria! Ich bin kein Moslem. Wir sind gleich, du und ich und Hans!»
Da scheint sie in bereits verblichenen Farben von seiner Schulter, die heilige Maria Gottes. Etwas Groteskeres habe ich noch nicht erlebt. Da steht ein etwa 50 -jähriger Palästinenser in Berlin auf einer Baustelle und entblößt seinen Oberkörper bei minus 15 Grad, um uns aus Bruderschaft oder was auch immer, sein abgewetztes Maria-Tattoo zu zeigen! Unfassbar!
Als sich unsere Blicke begegnen, kann Hans das Lachen kaum noch zurückhalten. Ich kann schon die Tränen in seinen Augen sehen. Wir wenden uns schnell voneinander ab, damit wir nicht in lautes Gelächter ausbrechen. Damit würden wir Jimmy, der sich gerade wieder anzieht, nur unnötig provozieren. Denn eines ist klar: Für ihn ist die Sache hier todernst.
Auf dem Weg nach unten fragt Jimmy mich mehrmals, ob ich sein Tattoo denn auch schön finden würde. Durch hastiges Bejahen versuche ich, die Sache irgendwie zu einem Ende zu bringen.
Im Laderaum von Hans’ Sprinter fällt mir auf, wie penibel alle Werkzeuge aufgehängt und wie sauber sie geputzt sind. Sogar der ausgelegte Teppichrest ist offenbar frisch gesaugt. Bis auf ein paar alte Flecken und meine Fußabdrücke ist er makellos.
Ich gebe Jimmy die Leiter.
«Danke, ich bin übrigens Jimmy.»
«Nicholas.»
«Wenn du Lust hast, machst du Mittag bei uns im Bauwagen. Meine Frau hat lecker gekocht.»
«Ach, echt?»
«Ja, sie bereitet immer vor, und ich wärme mir hier auf.»
«Hört sich wirklich gut an. Heute geht’s nicht, aber da komme ich gerne mal drauf zurück.» Bestimmt besser als diese lauwarmen Bockwürstchen, da bin ich mir sicher.
Dann geht er in Richtung Bauwagen. Zwei seiner Kollegen stoßen dazu und begleiten ihn. Die beiden sind mit frischem Zement beschmiert und haben verdreckte Staubmasken auf den Kopf geschoben. Beide sehen verglichen mit Jimmy sehr erschöpft aus. Ich frage mich wieder, ob der heute wohl schon gearbeitet hat. Es ist halb zwölf, und er geht jetzt, nachdem er die Leiter endlich bekommen hat, in den Bauwagen zum Mittag?
«Is nich wahr, oder?», fragt Richie grinsend, als wir ihm erzählen, was Jimmy für eine Show abgezogen hat.
«Doch! Unglaublich, oder?»
«Dann zieht der sich echt aus», sagt Hans kopfschüttelnd. «Da biste so lange aufm Bau und denkst, du hast alles erlebt, und dann so wat!» Und wechselt dann plötzlich das Thema. «Richie, wennde willst, kannste dir am Wochenende Fleisch holen bei mir.»
«Schlachtest du wieder oder wat?»
«Schlachten? Du, Hans?», frage ich wieder einmal erstaunt.
«Klar, Mann. Der hat ’ne ganze Farm da hinten in Strausberg! Ne, Hans?», übernimmt Richie die Antwort.
«Wir haben Hühner, Schweine und sogar ’n Pony für meine Tochter. Dat Schlachten mach ich schon seit Jahren, muss dir mal Fotos mitbringen. Isn bisschen viel Blut, dat spritzt manchmal. Wennde im Sommer noch da bis, kommste mal zugucken. Und dann grillen wir. So ’ne ganze Sau überm Feuer, musste mal probieren.»
«So is dat wohl», nickt
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