Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)
betrete.
«Morgen.»
Habe ich das im Augenwinkel gerade richtig gesehen? Haben die tatsächlich zwei Bier vor sich auf dem Tisch stehen? Es ist 6 : 45 Uhr!
Als Teil der Gameboy-Generation glaubte ich als Kind, alle Klempner wären ein bisschen so wie Super Mario. Aber der hier ist alles andere als super, und sein Kollege sieht auch nicht gerade aus wie der freundliche Luigi. Die Gesichter aufgedunsen vom Alkohol, die Augen blutunterlaufen – und jetzt schwängert der eine die Luft auch noch mit einem herben Rülpser. Nein, von denen rettet am Ende sicher keiner eine Prinzessin.
Ich setze mich an den Nebentisch und nippe an meinem Kaffee.
«… endlich mal wieder ’ne Muschi putzen, Alter!»
«Kennste, ne? Wenn dat so ’n bisschen nach Fisch riecht!»
Dies sind die ersten beiden Sätze, die ich an diesem doch eigentlich unschuldigen Morgen mit anhören muss. Und ab hier ist auch klar, wie Kalle und Günther so ticken. So heißen sie nämlich, wie ich kurz darauf erfahre.
«Ah, da kommt Kevin! Jetz pass auf!», lacht Kalle los und nimmt einen großen Schluck aus der Flasche. Günther dreht seinen Stuhl in Richtung Speicher, und ich komme mir vor wie im Kino.
Ein schmächtiger Hänfling mit kurzen strohblonden Haaren und roten Wangen trägt seinen Rollerhelm unterm Arm und schlurft zum Auto von K+H. Er öffnet den Kofferraum und scheint etwas zu suchen. Die beiden neben mir können sich vor Lachen kaum noch halten.
«Ey, Kalle Mann, wo ist mein scheiß Werkzeugkoffer?», brüllt er laut über den Platz, als er auf die Bäckerei zusteuert. «Jeden Montag dieselbe Scheiße, Mann, wo ist der Koffer?»
«Weiß nich!», schnaubt Kalle.
«Im Himmel liegt die Lösung», fügt Günther verschmitzt hinzu.
Kevin schaut die beiden grimmig an und dreht sich Richtung Baustelle. «Nee, oder? Boah, ihr Idioten!»
Das nicht zu übersehende Funkeln an der Stange ist die Werkzeugkiste des Klempner-Lehrlings. Ich mische mich ein.
«Wieso hängt die Kiste da oben?»
«Ach, dat is so ’n Spiel, wat wir seit Jahren miteinander machen. Besonders lustig is dat natürlich mit neuen Lehrlingen. Haha, jetz zieh dir rein, wie der da hochklettert!», prustet Kalle schon wieder los.
Seiner Fahne, den glasigen Augen und dem albernen Kichern nach zu urteilen, ist das nicht sein erstes Bier an diesem Morgen. Immer noch von unseren Kinosesseln aus beobachten wir, wie Kevin mühsam das Gerüst emporsteigt. Jedes Mal wenn er durch eine Treppenöffnung auf die nächste Ebene gelangt, schlägt er wütend die Luke auf, sodass diese mit einem lauten Krachen nach hinten knallt. Endlich oben angekommen, steht er nur wenige Meter von seinem Werkzeugkoffer entfernt.
«Scheiße!», schreit er so laut, dass wir es bis zur Bäckerei hören können. Die zwei Clowns neben mir drehen völlig ab und schlagen sich tosend auf die Beine.
«Jetz merkt er … dass er … ’n Schraubschlüssel braucht … für … die … Klemme!» Günther kriegt kaum noch Luft zwischen seinen Lachkrämpfen. Seine Halsschlagader tritt wulstartig hervor.
Also das ganze Spiel von vorn. Kevin mit lautem Krachen und Gestampfe wieder runter. Zurück mit Schraubschlüssel. Oben löst er die Schraube und dreht die Geländerstange geschickt wieder zum Gerüst, sodass er seinen Werkzeugkoffer endlich wieder in der Hand hält. Jetzt müssten nur noch die Zuschauer klatschend aufstehen und Kevin sich verbeugen, während der Vorhang fällt. Stattdessen fängt Peter mich ab.
«Nick, wat isn los, is gleich halb!?»
«Sorry, Peter. Ich habe die Zeit total vergessen. Aber was die hier gerade veranstaltet haben …»
«Dat is mir scheißegal,
ich
zahl dich hier. Wat die treiben, dat müssen die mit ihrem Chef klären. Aber du fängst um 7 Uhr an, is dat klar?», wütet Peter. Jetzt steigert er sich wieder rein, der alte Choleriker.
«Okay, beruhig dich. Ist ja nicht so schlimm, dann arbeite ich eine halbe Stunde länger, oder ich berechne erst ab 7 : 30 Uhr», versuche ich ihn zu besänftigen. Denn wenn Peter einmal in Fahrt ist, wird es schnell unangenehm.
«Die Jungs von Kienecker und Honsdorf müssen wissen, wo der Anschluss vom Haus an die Kanalisation ist. Und ob da überhaupt einer ist. Die Pläne sind irgendwie weggekommen, und die Firma, die hier gebaut hat, gibt’s nich mehr», erklärt Peter mir auf dem Weg zum ersten Gullideckel.
Ich trage eine eineinhalb Meter lange, T-förmige Eisenstange, deren eines Ende zu einem Haken gebogen ist. Damit hebt man
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