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Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Titel: Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Grünke
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haben. Der Bauleiter ist weg, da lässt man sich Zeit. Ich hole noch drei Kaffee, mir ist eine längere Pause ebenfalls sehr recht. Wenn es nach mir ginge, würden wir hier bis zum Mittag sitzen bleiben.

    Vor der Frontseite des Speichers liegt ein kleiner Platz, der komplett von einem hässlichen Wohnkomplex eingerahmt ist. Heute wirkt er beinahe idyllisch. Alles ist eingefroren, die Welt ist steif und bewegungslos. Ich habe das Gefühl, würde man etwas berühren, es zerspränge wie Eis. Eine angenehme Stille erfüllt die Luft.
    Alle Arbeiter machen Frühstückspause, und die Maschinen stehen still. Erst durch diese Ruhe wird mir zum ersten Mal bewusst, wie laut es hier sonst ist. Die Nachbarn dürften bei diesem Lärm der Verzweiflung nahe sein.
    Richie brummt wieder etwas vor sich hin und verschwindet im Erdgeschoss. Hans schwingt sich einhändig einen Sack Mörtel über die Schulter und geht in den dritten Stock. Ich hebe einen Sack mit beiden Händen an und wuchte ihn mit Hilfe meines Knies auf die Schulter. Schritt für Schritt folge ich ihm hinauf.
    «Wie groß bist du eigentlich, Hans?»
    « 2 , 01  Meter und 102  Kilo! Aber ich war früher kräftiger, werd langsam älter.»
    «Wie alt bist du denn?»
    «Werd dieses Jahr  44 . Rühr schon mal neuen Mörtel an, muss noch kurz telefonieren. Und nich so ’ne Affenscheiße wieder.»
    Ich fülle den Kübel mit Wasser und kippe den ersten Sack Mörtel hinein, da höre ich Hans in der Ecke des Raumes lauthals fluchen.
    «Arschloch, ich komm morgen vorbei!»
    Dann dreht er sich um und tritt einen herumliegenden Backstein so hart, dass der gegen die Wand knallt und ein Loch hinterlässt.
    «Alles gut, Hans?», frage ich vorsichtig.
    «Dieses Arschloch! Hab im Sommer ’n ganzes Haus verputzt oben in Bernau. Und jetzt will der Bauherr nur die Hälfte zahlen, weil die Arbeit nicht korrekt gewesen wär!»
    «Hast du denn keinen Vertrag, in dem das geregelt ist? Ich meine, der kann dir doch nicht ein halbes Jahr später mitteilen, dass er nur die Hälfte zahlt.»
    «Nee, Vertrag mach ich nie. Handschlag zählt. Is mir aber schon mal passiert, dat wat abgezogen wurde.»
    «Kannst du nicht zu einem Anwalt?»
    «Ja, aber der Bauherr könnte auch sagen, ich hätte überhaupt nicht gearbeitet. Es gibt ja keinen Beweis, verstehst du? Muss ich persönlich regeln. Ich reiß denen die Bude wieder ab! Davor haben die Schiss, und dann zahlen die meistens!»
    «Ist das häufig so?»
    «Ja, überall auf allen Baustellen. Is so ’ne Masche, weißte. Leute anstellen und Arbeiten machen lassen, und am Ende nicht zahlen oder nur die Hälfte. Dafür haben die Bauarbeiter dann klebrige Finger.»
    «Was? Klebrige Finger?»
    «Na, die klauen. Werkzeug und so.»
    «Und das merkt keiner?»
    «Auf ’ner Großraumbaustelle ist dat normal, die rechnen dat ein in ihrer Kalkulation. Da sind so viele Firmen, dass alle den Überblick verlieren. Wer zu welcher Firma und welches Werkzeug wohin gehört, dat geht schnell unter.»
    «Und da nimmt man einfach mal ’nen Bohrer mit?»
    «Ja, Makitas sind sehr beliebt oder Hilti. Stemmhammer, Flex, wat halt so rumliegt. Mach ich aber nich, dat is nich korrekt.»
    «Du solltest das nächste Mal besser einen Vertrag machen. Besonders wenn du doch weißt, wie die Leute einen abzocken!»
    «Ja, vielleicht haste recht!»
    Den ganzen Tag zieht es schon eisig durch eine unverschlossene Fensteröffnung am Ostgiebel. Durch das Rauf und Runter mit den Säcken ist mir warm, und ich schwitze in der dicken Winterjacke. Jedes Mal wenn ich nach oben komme und die Säcke ablade, bläst mir der schneidende Wind in die schweißnassen Haare.
    «Hans, wo ist denn Holz, um das Fenster zu verbarrikadieren?»
    «Warum denn?»
    «Das zieht, Mann, ist echt unangenehm. Sag mal, wo?»
    «Wennde runter zu den Steinen gehst, aber dann links um die Ecke.»
    Jimmy, der Araber, kommt mir entgegen. Obwohl der Betrieb auf der Baustelle schon seit Stunden im Gange ist, sieht er noch extrem adrett aus. Seine Frisur sitzt absolut perfekt, und nirgends an ihm ist auch nur ein Körnchen Staub oder Dreck zu sehen. Hat der heute schon gearbeitet?
    «Hey, wo is Hans?», fragt er.
    «Hans ist oben im Dritten.»
    «Danke.»
    Wow, er hat tatsächlich «Danke» gesagt! Das erste Mal, dass ich dieses Wort hier höre.
    Als ich mit einer Holzplatte wieder oben ankomme, merke ich, dass ich eine Säge brauche, um die Platte der Fensteröffnung anzupassen.
    Jimmy ist gerade im Gespräch mit Hans, der

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