Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)
Kanal- oder Gullideckel an. Am anderen Ende befindet sich eine Art Schraubschlüssel, um gegebenenfalls Deckelschrauben zu lösen.
Es gibt vier Gullideckel, die im Abstand von mehreren Metern in einer Linie zum Speicher liegen. Wir beginnen mit dem am weitesten entfernten Deckel, unter dem noch ein Gitter angebracht ist. An einem kleinen Bügel ziehe ich diesen Laub- und Abfallfang mit einem Ruck heraus – und voilà: Darunter liegt ein offener Kanal. Sorgfältig mit roten Klinkersteinen gemauert. Erstaunlich, denn es geht ja nicht um einen Kanal aus dem 19 . Jahrhundert. Nein, diese Abflüsse und Zuleitungen sind zusammen mit dem angrenzenden Wohnkomplex in den neunziger Jahren entstanden.
«Sag mal, ist das eigentlich normal, dass diese Abwasserkanäle offen sind?», frage ich Günther, der jetzt dazugekommen ist.
«Ja, dat wird überall noch so gemacht.»
«Darum stinkt das so an manchen Ecken in Berlin. Kein Wunder, wenn die Dinger offen sind. Und an den Seiten sieht man ja die ganze Scheiße, die nicht abgeflossen ist. Ist ja ekelhaft.»
«Dat is normal. Und die Scheiße an der Seite da, dat passiert, wenn es ’n Rückstau gibt. Müsste man mal mit ’nem Kärcher rein», erwidert Günther stumpf.
«Nick, bleib du mal hier stehen. Ich mach den anderen Gulli auf und jage Wasser mit dem Schlauch durch. Gib mir ’n Zeichen, wenns bei dir ankommt», befiehlt mir Peter.
Jawohl, Sir! Na, das wird ein Spaß.
Peter greift sich die Eisenstange, läuft mit Günther zum anderen Ende und öffnet den letzten Gulli in der Reihe. Ich sehe hinunter und warte auf die Flutung. Doch zunächst fließen aus den Seitenkanälen von rechts und links, beinahe simultan, zwei Scheißhaufen gemächlich aufeinander zu. Wie kleine Bötchen, das weiße Klopapier als Segel gehisst. Sie treffen sich im Hauptkanal direkt unter meiner Gulliöffnung. Als ob Menschen aus verschiedenen Wohnungen indirekt teilnehmen an einer Choreographie der Scheiße.
Noch halb belustigt, halb angeekelt, bemerke ich jetzt das langsam durchsickernde Wasser aus Richtung des Speichers, das sich seinen Weg erst einmal durch Dreck und Ungeziefer kämpfen muss. Wahrscheinlich ist dieser Kanal seit Jahrzehnten nicht durchspült worden.
Eine riesige Ratte flieht vor der Flutwelle und biegt in den linken Kanal in Richtung der Wohnungen ein. Ihre Großfamilie folgt nur Sekunden später. Ich schrecke zurück.
Jetzt bricht das Wasser mit einem Schlag durch. Eine stinkende, braunschwarze Brühe fließt unter mir hindurch. Ich gebe Peter das Zeichen.
«Dat is sehr gut, Mann! Dat is der Anschluss, direkt vor der Bude. Mann, sonst hätten wir den ganzen Weg aufbuddeln müssen», sagt Peter erleichtert, als wir die Deckel wieder schließen.
Um 17 Uhr stehen wir in seiner Hütte. Er will mich in bar auszahlen. Einen Grund nennt er nicht, aber mir ist es recht. Zu Beginn hatten wir mal vereinbart, dass ich alle zwei Wochen meine Rechnungen stelle. Diesmal stehen 998 Euro zu Buche, und irgendwie freue ich mich schon auf den Tausender, den er da gleich aus seiner Schublade holt. Aber weit gefehlt. Der Herr Bauleiter legt mir den Betrag doch allen Ernstes auf den Euro genau hin. Etwas fassungslos nehme ich die Scheine vom Tisch.
«Vielen Dank, Peter», und um das Ganze auf die Spitze zu treiben, schiebe ich die drei Euro Münzgeld zu ihm zurück: «Für die Kaffeekasse!»
Was für ein Geizhals!
Es ist Ende März, als ein Renault Kangoo mit Schweizer Kennzeichen vorfährt. Auf den Seiten des Autos klebt das Firmenlogo mit dem Satz «Der Fuks macht die Fugen». Darunter ist ein rennender Fuchs mit einer überdimensionierten Fugenpistole zu sehen. Sein Kopf ist knallrot. Soll der Fuchs angestrengt wirken? Hat er Blähungen? Schämt er sich?
Ein kleiner Mann mit funkelnagelneuer Hightech-Arbeitskleidung steigt aus. Seine Skisonnenbrille hat er ins halblange schwarze Haar gesteckt.
«Guten Morgen, Robert Fuks», stellt er sich vor. «Schönes Gebäude!»
«Morgen. Zwifka, Peter. Am besten wir gehen mal hoch und gucken uns die Sache an. Nick, kannst du von unten noch ’nen Sack Fugenmörtel holen? Dann können wir die Farben angleichen. Wir warten im Fünften.»
Ich wuchte mir gerade den Sack auf die Schulter, als Klempner Kevin von K+H an mir vorbeiläuft und seinen Werkzeugkoffer an einer Schnur hinter sich herrollt! Ich muss an Janoschs Tigerente denken. Warum hat der Koffer plötzlich vier Rollen?
«Hey Kevin, was soll das jetzt wieder?»
«Montag, ne!
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