Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)
miteinander reden, quasselt ständig eine aufgebrachte Stimme aus den Walkie-Talkies der beiden. Es klingt, als wenn jemand auf Polnisch flucht. Plötzlich kriegen Adam und Pawel sich vor Lachen kaum noch ein. «Kurwa!», antwortet Pawel in sein Funkgerät und fügt noch ein paar Sätze hinzu, die ich nicht verstehe.
Ich schaue Adam an: «Was ist denn los? Was ist so witzig?»
Adam nimmt sein Funkgerät an der Kordel und streckt es zu mir rüber. «Das ist Rainer. Ist auf dem Klo und sagt die ganze Zeit ‹ekelhaft, ekelhaft›.» Dann drückt er die Sprechtaste und wendet sich an Rainer: «Nicht hinsetzen, hörst du? Sonst bringst uns noch Parasiten in die Wohnung!» Es folgt lautes Gelächter.
«Wohnt ihr alle zusammen, oder wie?»
«Ja. Chef hat eine Wohnung besorgt hier in Berlin. Da sind wir während der Woche. Und Freitag dann zurück. Dresden und Polen.»
«Polen? Ich dachte ihr kommt alle aus Dresden?»
«Nicht alle. Tomasz und Pawel leben in Polen. Rainer und ich wohnen in Dresden, und Cheffe ist da geboren.»
«Hey, ihr müsst dat Scheißhaus mal leeren lassen! So wat hab ich ja noch nie gesehen!», kommt Rainer angewidert in den Raum.
«Wie? Ist das immer noch nicht sauber gemacht geworden?» Ich bin schockiert.
«Nee, Mann! Die Scheiße kommt schon hoch! Und Klopapier is auch nich da. Dat geht nicht!»
«Ich habe Peter das schon vor einer Woche gesagt. Er wollte sich darum kümmern. Werde ihn gleich mal erinnern.»
«Ja, mach dat unbedingt. Ich hätt fast gekotzt eben. Dat riecht da drin ja wie bei Omma unterm Rock!»
Ich will mir gar nicht vorstellen, wie es in dem Klohäuschen jetzt aussieht. Es war vor einer Woche eigentlich schon unerträglich.
Der Kompressor startet. Die Schläuche gehen direkt auf Spannung, und ein Zischen erfüllt den Raum.
«Dat is kein Kinderspielzeug. 12 Bar is wat!» Beim Rausgehen sagt Rainer noch zu seinen beiden Kollegen: «Also passt auf eure Hände auf, sonst passiert der gleiche Scheiß wie in Cottbus.»
«Was meint er, Adam?»
«Ach, wenn die oben einschalten, zieht sich hier», dabei zeigt er auf das Innere des Kessels, «der Gummizylinder nach oben. Na ja, und in Cottbus hat ’n Kollege die Hand dazwischen gehabt. Drei Finger gebrochen.»
Dann übersetzt er für Pawel Rainers Warnung noch mal auf Polnisch. Zumindest interpretiere ich seine Gesten so.
Und zack, kippen beide den nächsten Sack in den Kessel. Ich trage unterdessen endlich die letzten Konsolen in die Ecke und betrachte mein Werk: Der Berg ist erfolgreich versetzt. Jetzt noch eine Ladung Holz wegschaffen, und ich bin fertig.
Ein unverständlicher Befehl schnarrt aus den Walkie-Talkies, und ein Sauggeräusch ertönt. Hastig werden die Deckel auf die Kessel geschlagen. Es brummt, man kann förmlich die 12 Bar im Raum spüren.
Auf einmal gibt es einen lauten, durchdringenden Knall, sodass ich vor Schreck das gerade aufgesammelte Holz in hohem Bogen fallen lasse.
«Fuck, was ist das denn? Da kriegt man ja Angst, dass einem der ganze Kessel um die Ohren fliegt!»
«Ist normal. Wenn die oben die Schaltung loslassen, entsteht da drin ein Druckausgleich», erklärt mir Adam. Und schon saugt sich der Gummizylinder wieder an, und der Druck schießt durch die Schläuche wieder nach oben.
Ich stehe draußen und hantiere mit dem Holz, da knallt es wieder unglaublich laut. Sogar hier draußen schmerzt mir der Schlag in den Ohren – und die beiden stehen direkt neben dem Kessel! Dann knallt es drinnen in kürzester Zeit zum dritten Mal. Und jedes Mal wenn sich der Druck durch ein Ventil unten am Kessel entlädt, bläst die herausgestoßene Luft auch den ganzen Sand umher. Jetzt verstehe ich auch, was Peter meinte mit «Es staubt ein bisschen». Idiot!
Ich gehe rein zu den beiden. Zumindest fragen kann ich ja.
«Ey, ihr macht euch ja das Gehör kaputt. Habt ihr keine Ohrenschützer?»
Adam reckt den Kopf vor.
«Was? Was is?»
«Ohrenschützer! Ob ihr keine habt? Ich kann euch welche holen.»
«Ach so. Nee, is schon gut. Brauchen wir nicht.»
Wieso habe ich nur gewusst, dass diese Antwort kommt?
«Whatever guys! Ich hol mir welche und schau mir den Spaß da oben mal an!»
Staubwolken schießen durch die Dachlaterne in den stahlblauen Himmel. Der Speicher wirkt von außen betrachtet wie ein Teekessel auf einer heißen Herdplatte. Es pfeift und zischt im Gebäude, und durch jede undichte Ritze tritt feiner Staub. Die Fenster im Treppenhaus fehlen noch immer, sodass große dichte Wolken
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