Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)
Rechnung gestellt hat, hat deiner nich bezahlt. Deswegen will Volker dat jetzt vorher klären.»
Sie einigen sich darauf, dass Volkers Jungs die Fensteröffnungen im Treppenhaus schließen und Peter und ich auf dem Dach herumbalancieren und eine dicke Plastikplane entlang der Laterne nageln.
«Der Sand is sogar hier.» Richie zeigt uns die Kuppe seines Zeigefingers, mit dem er über die Fensterleiste der Bäckerei gestrichen hat.
Der Lärm, der vom Speicher herüberdröhnt, macht das Frühstücken nicht sonderlich angenehm. Und wenn man nicht aufpasst, hat man in Sekundenschnelle eine Staubschicht auf seinem Brötchen und im Kaffee. Aber um drinnen zu sitzen, ist es einfach zu heiß.
«Entschuldigen Sie, wie lange dauern diese Arbeiten denn noch?», fragt ein älterer Herr, der mit einem Brot unter dem Arm aus der Bäckerei kommt.
«Nich sicher. Ne Woche, vielleicht zwei», lügt Peter den Mann an. Denn es ist klar, dass die Sandstrahlarbeiten noch mindestens einen Monat dauern werden.
«Zwei Wochen lang erträgt das hier keiner mehr. Bei dem Dreck und Lärm kann niemand mehr auf seinen Balkon. Das geht doch nicht! Da müssen Sie sich was einfallen lassen!»
Verärgert zieht er ab Richtung Wohnkomplex.
Die Staubwolken hängen nicht mehr so dicht über dem Vorplatz, aber eine wirkliche Verbesserung haben unsere Schutzmaßnahmen vor einer Woche nicht gebracht. Zu allem Überfluss ist es noch heißer geworden. Meiner Vermieterin hatte ich versprochen, mich um die Blumen auf ihrem Balkon zu kümmern. Daraus ist leider trotz ehrlichem Bemühen und unzähligen Litern Wasser nichts geworden. Ganz Berlin ächzt unter tropischen Temperaturen. Daher kann ich die Anwohner verstehen: Bei diesem Wetter den eigenen Balkon nicht nutzen zu können, ist sicher nervig.
«Ach, diese Scheiß Anwohner. Ich hab auch schon ein Schreiben von der Hausverwaltung gekriegt. Die drohen mit dieser Rechtskacke», regt sich Peter auf.
Und dann, nach kurzem Nachdenken: «Weißte wat, Nick? Du probierst dat Sandstrahlen heute ma! Volker hat seinen Jungs noch ’n Extrahelm mitgegeben. Und wir können an den einen Kessel mit dran.»
«Warte mal! Wie jetzt? Ich? Ich hab das doch noch nie gemacht!»
«Sind nur die Säulenfüße, dat muss nicht so hundertprozentig. Dat machst du schon!»
«Na dann viel Spaß, Nick! Schön mit Helm bei der Hitze und noch ’n Anzug über die Klamotten! Da haste dir dein Feierabendbier richtig verdient», vergnügt sich Richie.
«Haha, sehr witzig!»
«Dat wird schon, Nick. Wir wechseln uns ab, so können wir acht Stunden durchstrahlen. Dann ist dat zwar noch staubiger hier, aber wir werden viel schneller feddich!», gibt Peter stolz von sich.
Welch brillante Idee. Ich bin begeistert. Durchstrahlen! Ja, das würde dem passen. Am liebsten wäre es ihm wahrscheinlich, es gäbe im Helm eine Art Extraschlauch mit Flüssignahrung, dann bräuchte man überhaupt keine Pausen mehr machen.
«Okay, dann versuch ich das mal. Und Peter, bevor ich es wieder vergesse, du musst echt mal das Klo sauber machen lassen. Da kann man so nicht mehr drauf.»
«Jaja, kümmer ich mich drum.»
Volker ist diese Woche nicht da. Rainer hat das Kommando.
«Dat is kein Kinderspielzeug, da kommen 12 Bar rausgeschossen», sagt er wieder einmal, während ich mir den Overall überstreife. Und um die Warnung zu untermauern: «Wir spielen hier ja nicht Mau-Mau im Mädchenpensionat.»
Nach ein paar Tagen ist klar, dass Rainer eine Handvoll Sprüche hat, die er liebend gerne wiederholt. Und noch etwas fällt mir auf: Er und seine Kollegen riechen nicht mehr nach Schweiß. Vergangene Woche nahm der Gestank von Tag zu Tag zu. Am Freitag war es dann kaum noch auszuhalten, da habe ich mich vor den Sandstrahlern geradezu geekelt. Meine Vermutung ist, dass die in ihrer Berliner Behausung keine Dusche haben. Oder was könnte sonst der Grund sein?
«In den Helm kommt Sauerstoff, dat is der hier.» Rainer hält den Schlauch hoch, der hinten am Helm angeschlossen ist. «Hier vorne haben wir den Schalter mit Kabelbinder festgemacht. Du musst den roten Bügel umlegen und dann den Schalter zusammendrücken. Sobald du loslässt, hört das Ding auf. Totmannschaltung nennt sich dat. Dient als Sicherheit, falls du mal umkippst. Damit dann der Schlauch nicht wild durch den Raum schießt und ein Unglück anrichtet. Also am besten hältste mit einer Hand vorne die Düse und mit der anderen den Schalter fest. Wenn du den Schalter zusammendrückst, kommt
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