Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)
der Druck, dann musste die Düse schon aufs Ziel gerichtet haben. Und konzentrier dich, dat is kein Kinder…»
«Ist gut, ich hab’s verstanden», unterbreche ich seinen Endlosmonolog.
«Okay, dat sind deine Handschuhe und Ohrstöpsel.»
«Ohrstöpsel?»
«Is verdammt laut unter dem Helm. Ach ja, und falls die Sicht nicht mehr gut ist: Hier vorne am Visier haste Plastikscheibchen, die kannste abziehen. Dahinter ist noch ’ne Glasscheibe. Sach Bescheid, wenn die Plastikdinger aufgebraucht sind. Dann geb ich dir neue. Und immer dran denken – keine Panik aufer Titanic!»
Hoffentlich geht das gut. Ich versuche mir die weichen Ohrstöpsel reinzustecken, aber sie drücken sich immer wieder raus.
«Die Dinger halten ja gar nicht!», rufe ich Rainer zu, der gerade den Raum verlassen will.
«Musste vorne zwischen den Fingern platt drehen und dann ganz tief reinschieben.»
Das funktioniert, und das Dröhnen im Raum wird sofort gedämpft.
Nun der Helm. Aber auch das ist komplizierter, als es scheint. Am Helm hängt eine Art Latz, der Brust und Rücken bis zur Hälfte schützen soll. Um in den Helm zu gelangen, muss ich ihn tief nach unten halten, damit der Latz beim Überstülpen nicht im Weg ist.
Als ich mich samt Helm wieder aufrichte, fühle ich mich total abgeschottet von der Welt. Alles ist wie hinter einem Schleier. Mein Sichtfeld ist nun begrenzt auf ein 15 mal 10 Zentimeter großes Rechteck. Der Sauerstoff rauscht sanft im Innern des Helms. So muss sich ein Astronaut fühlen. Nur dass der jahrelang für seinen Job trainiert und höchstwahrscheinlich nicht beim ersten Einsatz in leichte Panik verfällt. Und dessen Helm riecht bestimmt auch nicht wie eine alte Gießkanne.
Meine Handschuhe liegen auf dem Boden, doch als ich sie aufheben will, reißt es meinen Kopf nach hinten. Verwirrt drehe ich mich um. Scheiße, der Schlauch hängt an einer Mauerecke fest. Langsam und vorsichtig steige ich über die anderen Schläuche und befreie mich. Zurück muss ich exakt die gleichen Schritte machen, sonst verheddert sich hier alles.
Die dicken Lederhandschuhe reichen fast bis zu meinen Ellbogen. Jetzt ist auch der letzte Rest Bewegungsfreiheit dahin. Die erste Säule in meinem Blickfeld, lege ich den roten Bügel mit dem linken Zeigefinger um und drücke mit der rechten Hand den Schalter zusammen. Es zischt, und ich kann den Druckaufbau fühlen. Ein kurzer Ruck geht durch den Schlauch, es rauscht enorm, und der Sand schießt heraus.
Sekunden später sehe ich nichts mehr. Staub überall. Als ob mich eine Wolke geschluckt hätte. Ich erkenne einzig den klitzekleinen Bereich der Säule, auf den der Sandstrahl trifft.
Den Überblick zu behalten ist mir in diesem Moment nicht möglich. Der Sand rieselt heftig aufs Visier, und die Sicht wird merklich schlechter.
Ein verrücktes Gefühl. Es erinnert mich an einen Sandsturm, den ich vor Jahren in der Wüste Gobi miterlebt habe. Dem wirbelnden Sand völlig ausgeliefert sein, orientierungslos im Nichts. Die Chinesen nennen diese Stürme Xibu de baofu («Rache des Nordwestens»). Der Unterschied ist, dass ich hier diesen komischen Astronautenhelm trage, der mich mitten im Sturm mit frischem Sauerstoff versorgt. So einen hätte ich mir damals in der Gobi auch gewünscht.
Ich konzentriere mich auf die Säule, die ich mit den Sandkörnern bearbeite. Die alten Farbschichten blättern mit Leichtigkeit ab, darunter tritt blanker Stahl hervor.
Plötzlich kommt kein Sand mehr aus der Düse. Es zischt zwar noch, aber es stößt nur noch Luft raus. Oh je, hoffentlich hab ich nichts kaputt gemacht!
Ich lasse die Totmannschaltung los und setze ohne nachzudenken den Helm ab. Verdammt, das hätte ich nicht tun sollen! Sofort setzt sich der herumschwirrende Sandstaub in Mund, Augen und Ohren. Ich kann kaum atmen und werde leicht panisch. Mit geschlossenen Augen ertaste ich mir den Weg zum Ausgang, stürze keuchend ins Treppenhaus und schlage die Tür hinter mir zu. Endlich raus aus diesem surrealen Vakuum aus Sand und Rauschen. Ich bin nassgeschwitzt. Das ist anstrengender, als ich dachte. Adam kommt die Treppe herunter.
«Was ist denn mit dir los?»
«Ich kriege überhaupt keine Luft mehr! Wie haltet ihr das aus?»
«Du musst kurz warten, bis der Staub sich gesenkt hat. Erst dann den Helm absetzen.»
«Das hättest du mir auch mal vorher sagen können», raunze ich ihn an. «Außerdem kam da auf einmal kein Sand mehr raus.»
«Hast du mal kurz aus und dann wieder angemacht? Der
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