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Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Titel: Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Grünke
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herauswehen. Das muss ich fotografieren! Ich laufe auf den Vorplatz, um einen besseren Winkel für das Foto zu haben. Das Schauspiel ist wirklich beeindruckend, als ob der Speicher gleich aus allen Nähten platzen würde.
    Erst jetzt wird mir bewusst, dass der gesamte Sand in Richtung Wohnkomplex weht. Ein Rentner steht fluchend auf seinem Balkon und schreit irgendetwas zu mir runter. Ich verstehe kein Wort, denn neben dem Staub verursacht das Sandstrahlen einen Höllenlärm, der den gesamten Platz beschallt. Dazu kommt, dass die Wohnungen unglücklicherweise in einem langgezogenen Halbkreis um den Speicher liegen. So wird aus dem Komplex eine Art riesiger Resonanzkörper, der den Baustellenlärm verstärkt. Man kann sich das wie ein Pingpong-Spiel vorstellen. Der Krach wird vom Speicher abgegeben und knallt gegen den Wohnkomplex, von dort wird er wieder zurückgeschleudert. Und so weiter.
    Je weiter ich mich vom Speicher entferne, desto lauter nehme ich den Hall der Sandstrahlgeräusche wahr. Und ich sehe deutlich, wie die Staubwolken mehr und mehr den gesamten Vorplatz verschleiern.
    Ich gehe zurück. Im Treppenhaus ist der feine schwarze Sand einfach überall. Als ich in Peters Hütte meinen Gehörschutz suche, bemerke ich den Hump, wie er sich ängstlich am Fußende des Bettes in die Ecke drückt. Das Rauschen und Grollen wird immer lauter, und ab dem dritten Stock kann ich nichts mehr sehen. Überall sind Schläuche im Weg. Kein Wunder, dass die Dachdecker diese Woche nicht auftauchen. Das hier ist ein Ausnahmezustand.
    Auf einmal spüre ich feine Nadelstiche auf meiner Haut. Die Sandpartikel schießen unkontrolliert durch die Luft. Jemand packt mich von hinten grob am Arm und zerrt mich die Treppe nach unten.
    «Die sehn dich nich, dat is saugefährlich, wenn du da in den Strahl kommst! Die strahlen dir ma eben dat Auge raus! Wat willste denn da oben?»
    Peter hat mich in eins der Apartments gezogen und die Tür zum Treppenhaus geschlossen.
    «Okay», sage ich erst mal geschockt, «Ich hab dich gesucht. Der Vorplatz ist eine einzige Staubwolke, und die Nachbarn fluchen.»
    «Wat? Scheiße! Ich hab die Laterne noch nicht dicht, und die strahlen schon los.»
    «Was?»
    «Die Abdeckfolie in den Fensteröffnungen! Ist doch alles offen, Mann! Geh runter und stell den Kompressor aus. Ich sag Volker Bescheid. Dat müssen wir erst dicht haben!»
    Mächtig steht der Generator vor mir, und die Nadel auf dem Tacho vibriert bei 12  Bar. Alles dröhnt, und die Schläuche sind bis zum Bersten gespannt.
    Ich sehe zwar den Ein/Aus-Knopf, aber aus irgendeinem Grund habe ich kein gutes Gefühl, da jetzt einfach draufzudrücken. Adam sieht mich und hebt fragend die Arme. Ich zucke mit den Achseln und winke ihn zu mir rüber.
    «Peter sagt, dass der Kompressor sofort abgestellt werden soll!»
    «Wieso?»
    «Der Staub auf … ach, mach einfach aus!»
    Adam legt die Hebel an den Schläuchen um, der Druck weicht heraus, dann erst stoppt er den Kompressor.
    «Unglaublich. Peter sagt einfach zu mir, geh runter und mach das Ding aus.»
    «Um Gottes willen! Nee, niemals! Immer erst den Druck vom Schlauch. Sonst fliegt dir das Ding noch um die Ohren und das ist lebensgefährlich, wennde davorstehst!»
    Stille. Die Vögel zwitschern. Eigentlich ist es ein wundervoller Sommertag.
    Die Nebelschwaden lichten sich langsam. Der Staub sinkt zur Erde. Alles, wirklich alles ist mit einer Sandschicht überzogen. Ab dem vierten Stock ist der Steinboden nicht mehr zu erkennen. Ich gehe auf einer schwarzen Fläche aus Sandkörnern.
    Die gestrahlten Stellen des Treppengeländers glänzen silbrig, und die Oberfläche ist rau, als ich mit der Hand darüberstreiche.
    Die 600  Quadratmeter im fünften Stock verlieren durch die Staubentwicklung ihre Weite. Das Atmen fällt mir schwer in der sandigen Luft. In dem weißen Nebel tauchen die Silhouetten von Rainer und Tomasz auf. Sie haben ihre Helme abgesetzt und zünden sich Zigaretten an. Ein Gewirr aus unterschiedlich dicken Schläuchen liegt auf dem Boden. Dutzende Schlangenlinien ziehen sich durch den Sandteppich.
    «Wo ist Peter?»
    «Der ist mit Cheffe auf der Laterne. Müssen besprechen, wer dat jetzt zumacht da oben. Immer das Gleiche. Nichts is vorbereitet.»
    «Was meinst du?», frage ich Rainer durch mein vor den Mund gehaltenes T-Shirt.
    «Wir waren schon letzten Herbst hier. Da gab’s auch nur Probleme. Wir ham die Fenster abgeklebt und Öffnungen verbarrikadiert. Aber als Cheffe dat dann in

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