Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)
grinst. «Aber nu komm. Ich zeig dir ma, womit ich mir
jetzt
die Zeit vertreibe.»
Wir betreten den Schlachtsaal. Es stinkt merkwürdig. Ich habe bislang nichts gerochen, das vergleichbar wäre. Natürlich, ich erkenne rohes Fleisch, Innereien, Blut, Fäkalien – aber da ist noch irgendetwas anderes, Undefinierbares in diesem scheußlichen Dunst.
«Pass auf deine schicken Schühchen auf!»
«Sehr witzig, Hans.»
Aber er hat ja recht. Ich latsche in nagelneuen weißen Nike Air durch Matsch, Blut und Schleim. Hätte ich mir auch denken können, was mich hier erwartet.
Vor dem Waldstück thronen zwei große überdachte Schuppen, in einem steht ein alter Unimog mit Kranaufbau.
«Da isser! Mit dem ziehe ich komplette Baumstämme ausm Wald! Und dat Haus hab ich auch damit gebaut.»
«Darfst du hier denn einfach so Bäume fällen?»
«Gehört mir, dat Waldstück. Da kann ich fällen, wat ich will. Ich heiz dat ganze Haus mit Holz. Und da drin», er zeigt auf den anderen Schuppen, «hab ich mir ’n kleines Sägewerk gebaut. Willste ma sehen?» Wir marschieren rüber.
«Und wie baut man mit dem Unimog ein Haus?»
«Für die Feldsteine brauchste den Kran, dann kannste die direkt von der Ladefläche auf die Mauer heben. Die ersten Reihen gehen vom Anhänger aus. Aber wenn dat dann höher wird, musste selbst anpacken.»
Das
kann ich mir vorstellen. Wie der Riese die gewaltigen Steine da hochwuchtet und ganz alleine dieses gigantische Haus baut.
Hans öffnet einen Flügel der schweren Holztür. Da steht tatsächlich ein Fließband, das groß und lang genug ist, um ganze Baumstämme zu transportieren. An der Seite ist mit dicken Ketten und Haken eine Art Flaschenzug angebracht, auf dem das Holz offenbar hereingezogen wird. Am Kopf wartet ein Sägeblatt von mindestens einem halben Meter Durchmesser auf die Stämme. Ich bin beeindruckt.
«Und hier ist der Motor der ganzen Anlage», sagt Hans stolz, nimmt Bretter vom Fußboden und legt eine Grube frei. «Dat is ’n alter VW -Golf-Motor. Der lässt dat hier ordentlich scheppern! Hab ich ganz alleine eingebaut, auch mit dem Kran vom Unimog. Da staunste, wa?»
«Ja, Hans, da staune ich. Unglaublich! Chapeau!»
«Hä? Scharpo?»
«Chapeau. Ich ziehe den Hut vor dir!»
«Äh, ja, besser is dat. Komm, wir gehn zurück.»
Der heftige Regen lässt nicht nach, mittlerweile bin ich bis auf die Haut durchnässt.
«Wat brauchste denn für euren Grillabend?», fragt Hans, als er mich wieder in den Schlachthof führt. Aus den gegenüberliegenden Ställen höre ich Schweine quieken. «Die Viecher sind immer noch aufgeregt, weil ich vorhin ihren Kameraden zum Schlachten rausgeholt hab. Die wissen haargenau, wat los is.»
Er öffnet eine Glastür, die in einen kühlen, sterilen Raum führt. Die Wände und der Boden sind weiß gefliest. Ich bin erleichtert zu sehen, dass die Fleischstücke bereits zurechtgeschnitten sind. Hans wäre zuzutrauen, dass er mir die Schlachtung auch noch live demonstrieren will. Der Anblick der Innereien in der Blechwanne und der blutigen Haken an der Decke reicht mir vollkommen.
«Weiß nicht, Kotelett wäre gut. Und sehr gerne Schweinelenden, wenn du welche da hast.»
«Kotelett kannste haben. Dat Filet und die Lenden will meine Frau. Aber probier mal den Schweinekamm. Und ich hab ’n leckeres Stück vom Rücken. Ich geb dir einfach mal ’n bisschen wat mit. Aufm Grill is dat echt super.»
«Danke, was bekommst du dafür?»
«Gib mir ’nen Zwanni, dat passt.»
Hans drückt mir eine prallgefüllte Plastiktüte mit frischem Fleisch in die Hand und der Schäferhund verabschiedet mich mit geiferndem Gebell.
«Volker hat grad angerufen, liegt im Krankenhaus.»
«Oh, dann hat er sich doch ernsthaft verletzt?»
«Kann man wohl sagen. Steißbein gebrochen. Und der verrückte Hund ist am Freitag noch selbst mitm Auto bis nach Dresden gefahren. Hat erzählt, dat der ganze Porsche mit Blut versaut war, als er zu Hause ankam.»
«Oh je. Wie geht’s ihm denn?»
«Dreckig natürlich. Kann sich nicht bewegen. Und Scheißen tut weh, sacht er. Der fällt ’ne Weile aus, dat is sicher.»
In der Ferne rattert und knarrt es. Was bedeutet: Rainers Opel naht. Fast das ganze Auto ist überzogen mit festgetrocknetem Matsch, nur auf der Beifahrertür erkennt man noch ein paar bescheuerte Festival-Aufkleber. Rainer parkt den Wagen neben uns und legt erst mal den Kopf für ein paar Sekunden aufs Lenkrad. Peter und ich blicken durch die Heckscheibe. Es
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