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Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Titel: Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Grünke
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Fenstertür. Sie wirkt tatsächlich etwas schief, ganz minimal. Aber so richtig gerade ist in diesem über hundert Jahre alten Gebäude sowieso kaum etwas.
    «Aber wir ham uns am Mauerwerk orientiert. Wir müssen die Tür doch im Lot einbauen! Sonst funktioniert der Schließmechanismus nicht richtig, und die Flügel kippen nach innen. Guckense, Herr Zwifka, dat is doch im Lot! Meine Leute ham dat doch richtig eingebaut!»
    Erneut hält Loos die Wasserwaage dran und zeigt verzweifelt auf die Libelle.
    «Dat is doch gut so!»
    Aber Peter lässt nicht locker.
    «Nee, dat will ich raushaben. Und dann sollense dat ein Stückchen weiter nach hinten lehnen.»
    Jetzt greift er sich selbst die Wasserwaage und misst nach. Dabei kneift er die Augen zusammen und leckt sich mit der Zunge in den Mundwinkeln.
    Loos hebt hilfesuchend die Arme, dreht sich zu Hessel und mir und jammert: «Meine Güte, dat sind vielleicht zwei, drei Millimeter. Dat is ja als wenn …», er sucht nach einer Metapher, «als wenn man ’n Fotzenhaar im Mund hat.»
    Der Architekt guckt erstaunt zu mir rüber. Ich grinse stumm. Dabei hat Herr Loos durchaus recht. Peter ist in diesem Moment ein unerträglicher Korinthenkacker.
    Nach dieser Szene wird die restliche Fensterabnahme zur Tortur. Architekt Hessel versucht zwar zu schlichten, aber die beiden Sturköpfe streiten sich stundenlang weiter. Ich notiere noch einige gerissene Scheiben und zerkratzte Fensterprofile. Ungeklärt bleibt, wer den Dreck von den Sandstrahlern entfernen muss. Am Ende einigt man sich tatsächlich auf eine weitere, dritte Fensterabnahme zu einem späteren Zeitpunkt. Ich kann’s nicht fassen.

    Wie wundervoll, mit einer gewissen Ahnungslosigkeit in die Morgendämmerung zu blicken und nicht zu wissen, was der Tag bringen wird. Das ist mir die liebste Zeit, wenn ich das Glühen der Sonne hinterm Horizont spüre, die Luft noch unverbraucht und der Lärm der Welt gedämpft ist. Alles scheint möglich.
    Hätte ich in diesem Moment allerdings gewusst, was mich auf der Baustelle erwartet, ich wäre mit meinem Murakami-Buch und meinem Kaffee im Bett geblieben.
    An der Zufahrtsstraße geht es schon los. Rainers Opel und der Kleinbus aus Dresden parken hinter den Pollern, die ganze Truppe steht rauchend davor. Links von ihnen lehnt sich ein Rentner über die Brüstung seines Balkons und schimpft wie ein Rohrspatz. Dieser garstige alte Kerl nervt schon seit meinem ersten Tag. Ständig lungert er am Fenster oder auf seinem winzigen Balkon herum und sucht zwanghaft einen Vorwand, um die Polizei zu rufen. Ich bin sicher, dass wir ihm den ganzen Ärger mit der Zufahrtsstraße verdanken.
    So richtig bösartig ist er vor ein paar Monaten geworden. Ich fahre zügig mit dem Fahrrad auf den Speicher zu, als er mich plötzlich von oben anbrüllt: «Du Idiot, hör auf hier so zu rasen! Hier ist Schritttempo!» Auf meine Gegenfrage, ob er hier der Blockwart sei, liegen am nächsten Morgen plötzlich Reißzwecken auf der Straße. Feinsäuberlich platziert, mit der Nadel nach oben.
    Ich kann den Ärger der Anwohner wegen dem permanenten Lärm ja verstehen. Aber dieser militante Greis scheint sich mit masochistischer Wollust regelrecht zu freuen, dass er mal wieder eine Aufgabe hat: uns das Leben schwermachen.
    «Was ist los, Rainer?»
    «Tja, hier geht heut nix!»
    «Na, Ärger am Hals? Das geschieht euch recht!», kommentiert der Opa gehässig von seinem Balkon und nestelt an seiner Jogginghose rum.
    Ich winke nur ab, dann sehe ich das Desaster selbst. Die Gerüstbaufirma ist angerückt und zerlegt ihr Eigentum gerade in alle Einzelteile. Die ersten beiden Etagen sind bereits abgebaut. Drei große Lkw stehen vor dem Speicher, und etwa ein Dutzend bis zum Hals tätowierte Muskelpakete schafft das Gerüst weg.
    «Wir kommen nich mal mit den Autos aufs Gelände. Alles zugeparkt und vollgestellt. Und irgendwo da hinten läuft so’n nervöser Typ rum und faselt was von ’nem Blitzableiter. Der sucht dich und Peter.»
    «Ja, die Blitzleiter sollten heute installiert werden. Fuck! Ich gehe Peter suchen.»
    «Ich hab die Polizei schon informiert. Die sind heute Morgen um 6  Uhr angefangen. Das ist nicht erlaubt!», nervt der asoziale Alte wieder.
    Mir liegen ganz andere Worte auf der Zunge, aber ich reiße mich zusammen: «Jaja, Mann. Wir haben jetzt andere Sorgen.»
    Ich weiß von Peter, dass es hin und wieder Probleme mit der Gerüstbaufirma gibt. Aber wenn die hier ohne Ankündigung antanzen und einfach

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