Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)
jetz gut.»
«Und du kommst aus Nigeria?»
«Ja, Nigeria. Ich Nigerianer! Ich Deutsch! Wir alle Freunde! Prost!»
Mit Widerwillen und aus reiner Höflichkeit schütte ich mir dieses selbstgebraute Gift noch einmal rein. Oluwasegun trinkt sein Glas in einem Schluck leer. Unglaublich! Uchenna gießt nach. Sie steht die ganze Zeit stumm hinter dem Tresen und hört uns zu. Die Situation wird mir langsam unangenehm.
«Du, ich muss nach Hause. Meine Frau wartet auf den Einkauf», versuche ich mich zu lösen. Aber das interessiert meinen neuen Freund nicht. Er erzählt und erzählt. Seine ohnehin schwer verständliche Aussprache wird mit jedem Schluck zu einem immer wirreren Wortfluss, dem ich nur noch nickend folgen kann.
Bum Bum
ist das Einzige, was zwischendurch noch zu mir durchdringt. Und irgendwas mit «Frauen glücklich machen».
Am nächsten Morgen fühle ich mich wie nach einem Boxkampf. Das versprochene
Bum Bum
befindet sich in meinem Kopf und tut höllisch weh.
Geschafft! Wir sind heilfroh, als wir am Ende der Woche die letzte Etage mit Folie ausgekleidet haben. Endlich was anderes machen. Nicht mehr wieder und wieder der gleiche Bewegungsablauf, bei dem die Muskeln versteifen und der Geist mürbe wird.
Matze dreht sich gerade zufrieden eine Zigarette, da kommt Peter rein und verkündet die Hiobsbotschaft.
«Alles feddich? Gut. Dann könnt ihr jetzt mit der Holzvertäfelung unterm Dach anfangen!»
«Wie? Das
ganze
Dach?» Das darf nicht wahr sein. Jetzt bin ich wirklich genervt. «Und wie kommen wir da hoch?»
«Wir nehmen dat Rollgerüst. Volker hat noch ’n paar Teile im Lkw, damit bauen wir dat hoch bis unters Dach. Dat passt wohl.»
Gesagt, getan. Wir schleppen die Gerüstteile durch das enge Treppenhaus ins Dachgeschoss. Dann werden Seitenteile in Rollen gesteckt, Querverstrebungen festgemacht und Ebene für Ebene aufgebaut. Als wir fertig sind, stehe ich ganz oben in etwa sechs Metern Höhe und recke mich. Es reicht nicht. Das Gerüst ist nicht hoch genug, um die letzte Kante der Holzvertäfelung zu erreichen.
«Und nun, Peter?», frage ich hinunter.
«Ja, hmm, müssen wir wohl die Arbeitsplatten ganz oben draufhaken.»
«Aber dann ist da ja keine Strebe mehr, und wir stehen hier oben total ungesichert. Ist ein bisschen gefährlich, oder nicht?»
Das Ding wackelt ohnehin schon bedenklich. Die Vorstellung, in dieser Höhe auf einer offenen Plattform über Kopf die Folie ans Holz zu kleben, ist mir nicht geheuer.
Matze scheint meine Bedenken nicht zu teilen: «Ach, dat geht wohl!»
Das wiederum gefällt Peter: «Genau, is ja auch drinnen. Dat kricht ihr schon hin.»
«Wie, drinnen? Wenn ich von hier oben auf Beton knalle, ist es ziemlich egal, ob ich drinnen oder draußen bin! Ich gehe zu Volker und frage, ob er noch ein paar Stangen hat!»
Die Tür zum Apartment im zweiten Stock steht offen. Ich kann die Geräusche der Spritzpistolen schon hören. Da gibt es einen lauten, scheppernden Knall. ROMMMMMMS .
Das klang nicht gut. Gar nicht gut. Ich mache ein paar schnelle Schritte und sehe das Elend: Volker liegt gekrümmt auf dem Boden und stöhnt. Sein Gesicht ist blutüberströmt, der Overall voller Farbe. Die Leiter liegt neben ihm, auch Wände und Fenster sind mit dem rotbraunen Korrosionsschutz versaut. Jetzt eilen Rainer und Pawel rüber und versuchen ihren Chef aufzurichten. Volker hat Schmerzen, so viel ist klar. Er beißt die Zähne aufeinander und atmet tief ein.
«Rainer, was ist passiert?»
«Is vonner Leiter gefallen.»
«Volker, alles gut?»
«Ja, geht schon. Boahff, ich muss mir erst mal dat Blut abwischen.»
Noch etwas schwach auf den Beinen, taumelt er von Rainer gestützt aus der Tür. Wieso fällt der einfach so von einer Leiter?
Pawel steht neben mir und versucht vergeblich die Farbe von den Fenstern zu wischen. Dabei verschmiert es alles nur noch mehr.
«Ist Volker auf die Eimer gefallen?»
«Nein, der ist vorwärts die Leiter runtergegangen. In jeder Hand einen vollen Eimer Farbe. Und dann is die Leiter nach vorne weggerutscht. Kurva, der ist echt voll aufn Rücken geknallt.»
«Vorwärts die Leiter runter? Mann, Mann, Mann», murmel ich und schüttel dabei den Kopf. «Habt ihr noch Gerüststreben und Seitenteile im Lkw? Wir kommen nicht bis ganz unters Dach.»
«Nein, ist alles raus. Die letzten Teile haben wir für unser Gerüst hier verbraucht.»
Ich werde trotzdem nachschauen. Volker sitzt mittlerweile in seinem 911 er, ein Bein hängt aus der geöffneten
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