Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)
gut, Rainer. Ganz ruhig. Wir hams verstanden», lächelt Rolf altersmilde.
«Nee, echt. Ihr könnt euch dat nich vorstellen. Dagegen ist Woodstock ’n Dreck.»
«Is klar.» Rolf verdreht die Augen und wendet sich zu uns. «Den kannste dann nächste Woche total vergessen. Immer dasselbe, wenn der auf dem Festival war.» Mit der einen Hand macht er eine Trinkbewegung, mit der anderen zieht er heftig an einem fiktiven Joint.
Es regnet zum ersten Mal seit Wochen, der trockene Staub auf den Straßen verwandelt sich in einen dünnen Schlammfilm.
Nach der ersten Ampel rechts auf die Landstraße abbiegen, hatte Hans gesagt. An den Maisfeldern vorbei, der zweite Hof auf der linken Seite: «Kannste nich übersehn.» Bei diesem prasselnden Dauerregen vielleicht doch.
Tim hatte nicht erwähnt, dass die Scheibenwischer seines uralten Landrovers kaum noch funktionieren. Das Ding ist eher ein Traktor als ein Auto. Schon bei 80 Stundenkilometern fällt die Kiste fast auseinander. Trotzdem nett, dass ich mir den Wagen leihen durfte.
Bin ich schon vorbeigefahren? Nein, da hinten muss es sein. Vor einem dichten Waldstück liegt ein weitläufiger Hof mit mehreren Gebäuden, darunter ein mit Feldsteinen gebautes Wohnhaus. Ganz langsam fahre ich auf dem schmalen Weg, die mächtigen Reifen lassen das Wasser aus den Pfützen und Schlaglöchern hochspritzen. Auf der rechten Seite taucht ein Zaun auf, hinter dem sich Hunderte Hühner tummeln.
Als ich auf den Hof fahre, schießt vor mir plötzlich ein riesiger Schäferhund aus seinem Zwinger. Er rennt direkt auf mich zu und bellt bedrohlich. Scheiße, der liegt mir gleich unterm Auto! Vollbremsung! Im selben Moment spannt sich die Kette um den Hals des Hundes und bringt ihn brutal zum Stehen.
Die von den Scheinwerfern des Landrovers angestrahlte Scheunentür wird aufgeschoben. Hans! Er winkt mir zu und deutet auf einen freien Parkplatz. Während ich in Schrittgeschwindigkeit über den Hof rolle, kläfft der Köter immer weiter. Ganz schön aggressiv, das Vieh. Hoffentlich hält die rasselnde Kette.
Hans steht da wie ein Protagonist aus der Verfilmung von
Sin City
. Der Regen stürzt in Bächen über sein Gesicht und wäscht das Schweineblut von seiner weißen Schürze. In roten Perlen läuft es weiter, die weißen Gummistiefel hinunter, und bildet eine Lache auf dem Steinboden.
«Hallo, Nick, willkommen in meinem Reich!»
«Hi, Hans! Was für ein Sauwetter, im wahrsten Sinne.»
«Ja, Sauwetter», lacht er. «Komm rein! Is dat deine Mühle?»
«Nee, gehört einem Freund. Keine Ahnung, warum man sich so ein Auto in der Stadt zulegt. Zum Wenden hat man am besten einen Kreisverkehr in der Nähe.»
«Ja, absoluter Unsinn fürn Stadtverkehr. Vor allem der Defender in der langen Version, wie der da. Aber kennst dat ja, damit machen dann Anwälte und Bürofuzzis einen auf Abenteurer.»
«Kennst dich aus, was?»
«Klar, wir ham früher richtige Jeep-Touren gemacht. Ein Kumpel und ich hatten früher jeder ’nen Wrangler. Kennste den?»
«Ja, den bin ich mal in Thailand gefahren.»
«Der Rest hatte ’nen Mercedes G. Die ganz Bekloppten ham sich Tarnfarbe ins Gesicht geschmiert, und dann sind wir raus auf die Felder, querfeldein durch die Nacht. Aus den fahrenden Jeeps Karnickel abgeknallt oder wat sonst vor die Flinte kam. Und dann aufm offenen Feuer gegrillt. Manchmal waren wir tagelang in den Wäldern. Die ganze Zeit sturzbesoffen natürlich. Aber gefahren sind die Dinger geil.»
«Und da ist nie mal was ins Auge gegangen?»
«Klar, Mann. Wir ham ständig Zäune umgemäht. Und ich weiß nicht, wie häufig wir einen ausm Graben ziehen mussten. Weißte, wir hatten alle Winden an den Autos. Echt unglaublich, wat die ausgehalten haben. Lang ist’s her, war ’ne geile Zeit.»
«Aber verletzt hat sich keiner?»
«Nix Ernstes. Einmal hatte ich den Ewald dabei, da baller ich so durchn Wald und merk auf einmal, dat so ’n Baum immer näher kommt und ich nich mehr stoppen kann. Da hab ich noch schnell einen Arm vor Ewald gestreckt, damit der mir nicht durch die Scheibe geht.»
«Hui. Und dann voll vor den Baum?»
«Jo! Mein Brustkorb war ’n bisschen geprellt, aber sonst nix. Und Ewald, der war so blau, der hat dat gar nich mitgekriegt. Ich sach dir, der Alkohol macht den Körper irgendwie so gummihaft. Weißte, wat ich meine? Da kannste hackezu vom Fahrrad knallen und hast nur ’ne kleine Schramme.» Hans deutet auf eine winzige Narbe über seiner linken Augenbraue und
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