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Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Titel: Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Grünke
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sehen, wer am längeren Hebel sitzt! Und die Schäden, die Ihre Nazibulldogen hier anrichten, die bekommen Sie dreifach in Rechnung gestellt! Feiges Arschloch, Sie!» Dann legt er auf.
    Uiuiui. Ich habe Peter ja nun schon in einigen tobsuchtartigen Zuständen erlebt, aber so geladen war er selten. Er zuckt kurz, und ich spüre, wie gerne er jetzt sein Handy gegen die Wand donnern würde. Aber er beherrscht sich.
    «Scheiße! Und ausgerechnet heute ist Hans nicht hier. Der hätte diese Typen vielleicht noch einschüchtern können.» Langsam hat Peter wieder normalen Pulsschlag. «Wir müssen ’ne neue Gerüstbaufirma finden. Ich wollte sowieso nicht mehr ganz einrüsten. Die Giebel frei lassen. Hab auch schon ’ne gebrauchte Teleskophebebühne gekauft. Die müsste nächste Woche kommen.»
    «Du hast
was
gekauft?»
    «Eine Teleskophebebühne mit Arbeitskorb. Reicht über 20  Meter hoch. So wat wie ’n Kran mit ’nem Korb oben dran. Da stehste dann drin, weißte?»
     
    Die streitsüchtigen Gerüstbauer wüten weiter um den Speicher herum. Was hätten die wohl mit dem Dachdeckerlift angestellt, wenn der noch da und ihnen im Weg gewesen wäre? Hätten sie den auch einfach abmontiert und nach unten geschmissen?
    Nichts ist mehr sicher. Die Schuttrutsche haben sie einfach vom Gerüst abgetrennt und auf den Boden krachen lassen. Die Klinkersteine für Reparaturen am Mauerwerk, die ich mit Matze mühsam in Eimern nach oben geschleppt und sorgfältig gestapelt habe, liegen jetzt alle unten im Sand. Die achtlos herausgerissenen Verankerungen haben tiefe Löcher in den Wänden hinterlassen. Rainer und seine Kollegen schrauben eilig ihre über das Gerüst geführten Schläuche auseinander und bringen sie in Sicherheit. Ein vernünftiges Wort mit diesen hirnlosen Ochsen zu wechseln ist völlig unmöglich.
    «Verpiss dich» und «Komm uns bloß nicht in die Quere, du Arsch!» sind noch die harmloseren Sachen, die mir an den Kopf geworfen werden.
    Die Typen hier übertreffen alles. In 15  Metern Höhe starten sie ein Kräftemessen. Wer ist der Stärkste im ganzen Gerüstbauerland? Die Aufgabe: möglichst viele Holzbohlen übereinandergestapelt auf der Schulter tragen und am Ostgiebel entlangbalancieren. Ohne Geländer! Man muss schon latent lebensmüde sein, um sich freiwillig einer solchen Gefahr auszusetzen. Auch wenn ich ein bisschen beeindruckt bin, als ich den Teufelsrücken sehe und zehn Bohlen auf seiner Schulter zähle. Die anderen feuern ihn an und jaulen dabei wie Wölfe. Dieses Rudel möchte man nicht zum Feind haben.
     
    «Waren bei euch in der Firma auch so übergeschnappte Jungs?», frage ich Matze, als wir mittags in der Kantine sitzen.
    «Die hier sind schon extrem. So aggro waren die Kerle bei uns damals nicht. Aber so Kraftproben, die gab’s auch.»
    «Ist doch echt gefährlich, was die da treiben.»
    «Und ob. Vor allem weißte nie, ob die Bohlen da oben nicht vielleicht morsch sind.»
    «Aber dann werden die doch ausgewechselt?»
    «Von wegen. Unsere Chefin früher, die war ’ne durchgeknallte Seeche. Die hat überall gespart und jeden Scheißauftrag angenommen. Manchmal unverantwortlich. Da sachste ihr, dat die Bohlen am Arsch sind und wir die wegschmeißen sollten und die Alte meint nur: Ach, dat hält noch. Bau die mit ein.»
    «Und dann?»
    «Hab ich eine von den maroden Bohlen auf ’nen Stein gelegt und bin vor ihren Augen voll drauf gesprungen. Dat Ding is natürlich zerbrochen. ‹Und stell dir vor, dat passiert in zehn Metern Höhe›, sag ich zu ihr. Da hatse blöd geguckt.»
    Als wir zurück zur Baustelle kommen, liegen Tomasz, Pawel und Rolf am Spreeufer und pennen. Musik plätschert aus dem Radio und wird von lautem Schnarchen aus dem offenen Kofferraum des Kleinbusses gestört. Dort hat Rainer es sich bequem gemacht: die Beine vor der Anhängerkupplung baumelnd, die Baseball-Kappe tief ins Gesicht gezogen, die Latzhose aufgeklappt. Sein mächtiger Bauch präsentiert einen stramm gespannten gelben Smiley auf dem T-Shirt. Er schnarcht wie ein Bär, und seine rechte Hand umklammert noch immer eine halbgefüllte Bierflasche.
    «Jetzt guck dir die an!»
    «Die ham wohl mal wieder ordentlich einen gezwitschert», stellt Matze unschwer fest.
    «Tja, ist aber auch egal. Solange das Gerüst abgebaut wird, können sie die Schläuche nicht neu hochziehen. Betrachten wir das hier mal als Zwangssiesta.»
    Zwei Tage später ist das Wolfsrudel verschwunden. Und jetzt ist nicht nur das Banner des

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