Schutzlos: Thriller (German Edition)
habe.«
Wir legten auf. Ich trug mich für einen Nissan Armada aus unserem Fuhrpark ein und holte ihn aus der riesigen Tiefgarage unter unserem Gebäude. Ich fuhr die King Street hinauf und dann durch die malerischen schmalen Straßen der Altstadt von Alexandria am Potomac, auf der Virginia-Seite, nicht weit von Washington D. C. entfernt.
Der SUV war nicht verräterisch schwarz, sondern hellgrau, verstaubt und schmutzig. Autos spielen eine große Rolle im Personenschutzgeschäft, und wie alle unsere Fahrzeuge war dieser Nissan für unsere Zwecke modifiziert worden – mit kugelsicherem Glas, gepanzerten Türen, schusssicheren Reifen und einem mit Schaumstoff verkleideten Benzintank. Billy, unser Fuhrparkleiter, hatte den Schwerpunkt tiefer gelegt, damit man schneller um Kurven fahren konnte, und den Kühlergrill mit einer Panzerplatte zum Schutz des Motors ausgestattet, die er als Suspensorium bezeichnete.
Ich parkte in zweiter Reihe und lief in das aus rötlich braunem Sandstein errichtete Stadthaus, das immer noch nach dem Kaffee roch, den ich eine Stunde zuvor gekocht hatte. Ich suchte rasch die wichtigsten Sachen zusammen und packte sie in eine große Sporttasche. Anders als in meinem Büro waren die Wände hier von Zeugnissen meiner Vergangenheit bedeckt: Diplome, Bescheinigungen von Fortbildungskursen, Anerkennungsschreiben früherer Arbeitgeber und zufriedener Kunden: Außenministerium, CIA, FBI und ATF. Auch vom britischen MI5. Außerdem ein paar Bilder aus meinen früheren Jahren, aus Gegenden wie Virginia, Ohio, Texas.
Ich wusste nicht, wozu ich all diesen Krimskrams an die Wand hängte. Selten nur warf ich einen Blick darauf, und nie hatte ich Gäste. Ich erinnerte mich, dass ich vor ein paar Jahren dachte, es würde von einem erwartet, wenn man allein ein geräumiges Stadthaus bezog.
Ich zog mich um: Jeans, schwarzes Polohemd und eine Windjacke. Dann stellte ich die beiden Alarmanlagen an, schloss ab und kehrte zum Wagen zurück. Ich raste in Richtung Stadtautobahn, wählte eine Nummer und stöpselte meinen Kopfhörer ein.
Nach dreißig Minuten war ich beim Haus meiner Mandanten.
Fairfax, Virginia, ist ein angenehmer Vorort mit einem breit gestreuten Angebot an Wohnhäusern, von kleinen Bungalows
und Stadthäusern bis zu üppigen, fünf Hektar großen Grundstücken mit baumbestandenen entmilitarisierten Zonen zwischen den einzelnen Anwesen. Das Haus der Kesslers lag zwischen diesen Extremen, es stand auf einem halben Hektar Grund, halb kahl und halb voller Bäume, deren Blätter gerade ihre sommerliche Lebenskraft verloren – Bäume wie geschaffen dafür, einen Scharfschützen zu verbergen, der Loving unterstützte.
Ich wendete, parkte den Armada in der Einfahrt und stieg aus. Ich kannte die FBI-Agenten auf der anderen Straßenseite nicht persönlich, aber ich hatte ihre Bilder gesehen, die mir Freddys Assistentin auf den Computer geladen hatte. Ich ging zu dem Wagen. Sie mussten meine Beschreibung ebenfalls haben, aber ich behielt die Hände an der Seite, bis sie sahen, wer ich war. Wir zückten unsere Ausweise.
»Niemand hat vor dem Haus gehalten, seit wir hier sind.«
Ich steckte mein Ausweisetui weg. »Irgendwelche Nummernschilder von außerhalb?«
»Wir haben keine bemerkt.«
Nicht dieselbe Antwort wie »Nein.«
Einer der Agenten zeigte auf eine breite, vierspurige Straße in der Nähe. »Wir haben ein paar SUVs da drüben gesehen, richtig große. Sie wurden langsamer, die Fahrer haben in unsere Richtung geschaut und sind dann weitergefahren.«
»Sind sie in Richtung Norden gefahren?«, fragte ich.
»Ja.«
»Einen halben Block entfernt ist eine Schule. Heute haben die Schüler Fußballwettkämpfe. Die Saison hat gerade angefangen, deshalb vermute ich, es waren Eltern, die noch nie beim Fußballplatz waren und nicht genau wussten, wo sie abbiegen müssen.«
Die beiden schienen überrascht, dass ich das wusste. Claire DuBois hatte mich darüber informiert, während ich unterwegs
war, nachdem ich sie nach Veranstaltungen in der Nachbarschaft gefragt hatte.
»Aber sagen Sie mir sofort Bescheid, wenn Sie die Fahrzeuge noch einmal sehen.«
Weiter oben in der Straße sah ich Hausbesitzer spätes Gras mähen und frühes Laub harken. Der Tag war warm, die Luft klar. Ich suchte die gesamte Gegend zweimal mit den Augen ab. Man bezeichnet mich oft als paranoid, und wahrscheinlich bin ich es. Aber unser Gegner hier war Henry Loving, ein Experte darin, sich unsichtbar zu machen … bis zum
Weitere Kostenlose Bücher