Schutzlos: Thriller (German Edition)
bestens wie immer. Wir haben die Räume nur für eine Verkaufsbesprechung gebraucht, und da wir früher fertig geworden sind, lade ich die ganze Bande zu einem Spiel in der Stadt ein.«
»Ja, natürlich. Hart, dass Sie an einem Samstag arbeiten müssen.«
»Ach, die Firma bezahlt für einen Abend in der Stadt, also was soll’s!«
Ich sah mir die Rechnung an und stellte fest, dass jemand eine Flasche Wein zu dem Essen vom Zimmerservice bestellt hatte. Ryan natürlich. Niemand sonst schien zu trinken. Ich war leicht verärgert. Es ist immer ein Zirkus, wenn man Alkohol abrechnen will. Und hatte er in seinem Rucksack nicht eine ganze Bar?
Ich dankte dem Empfangsangestellten und kehrte in die Suite zurück.
Als Rudy Garcia die Tür öffnete, warf ich einen Blick hinein und sah Maree, die gerade mit ihrer Schwester sprach und lachte. Ich runzelte die Stirn, als ich die Szene betrachtete. Die Frauen befanden sich nicht im gemeinsamen Wohnbereich, sie waren in einem der angrenzenden Schlafzimmer, und ich sah sie über einen Spiegel.
»Haben Sie die Kesslers und Maree in das Schlafzimmer verfrachtet, als der Zimmerservice kam?«, fragte ich Garcia.
»Selbstverständlich.«
»War die Tür offen? Zu diesem Schlafzimmer dort?«
Er warf einen Blick zurück. »Das weiß ich nicht. Ich habe dafür gesorgt, dass sie nicht zu sehen waren.«
Ich verzog das Gesicht. »Auch nicht als Spiegelbild?«
Der Agent studierte den Spiegel. »Ich … oh, Mist.«
»Hat sich der Page merkwürdig benommen?«
»Er war irgendwie nervös, jetzt da Sie fragen.«
Ich schloss seufzend die Tür hinter mir und dirigierte Ahmad zu den hinteren Fenstern und Garcia zu den vorderen. Ohne ein Wort zogen sie ihre Waffen und bezogen schnell Verteidigungspositionen. Ich löschte die Lichter im ganzen Raum.
»Schlafzimmerlichter aus«, rief ich Maree und Joanne zu. »Sofort.«
Eine Pause, dann wurde auch dieser Raum dunkel.
»Was ist los?«, fragte Joanne beunruhigt und kam in die Tür.
»Ich glaube, Loving hat uns gefunden und ist auf dem Weg hierher.«
Oder ist bereits hier, dachte ich.
16
Mein Verstand hatte etwas getan, was gelegentlich passiert, wenn ich eine bestimmte Art von Spielen gegen einen geschickten Gegner spiele.
Instinktiv weiß ich genau, wie seine Strategie aussieht. Das geschieht normalerweise bei Spielen mit dem, was man vollkommene Information nennt, wie Schach oder Tic-Tac-Toe. Vollkommene Information bedeutet, dass alle vergangenen Züge eines Spielers für seinen Gegner einsehbar sind. Beide sehen jeden Zug, der vom Beginn des Spiels an gemacht wurde. (Anders
als beispielsweise beim Gefangenendilemma, das ein Spiel mit unvollkommener Information ist, da Gefangener eins nicht weiß, wie die Entscheidung von Gefangenem zwei aussehen wird.)
Aus irgendeinem Grund vereinigen sich alle vergangenen Züge meines Gegners bisweilen in meinem Kopf zu einem klaren Verständnis – es ist fast wie ein Bild oder eine Grafik – dessen, was sein nächster Zug sein wird.
Die Puzzleteile, die sich jetzt zusammenfügten, waren der klare Blick auf meine Mandanten im Spiegel, das Unbehagen des Angestellten am Empfang vor ein paar Minuten und die Nervosität des Zimmerjungen.
Auch wenn ich nicht alle Einzelheiten kannte, war ich beinahe fest davon überzeugt, dass sich Loving als Polizeibeamter ausgegeben und E-Mails oder Faxe an Dutzende von Hotels und Motels in der Gegend verschickt hatte – vielleicht an diejenigen, von denen er glaubte, sie könnten gut als sichere Häuser geeignet sein. Er hatte ein Bild von Ryan Kessler angefügt und vielleicht behauptet, er sei ein flüchtiger Straftäter. Loving würde eine Telefonnummer und Anweisungen für den Anruf angegeben, aber die Manager davor gewarnt haben, selbst etwas zu unternehmen, falls sie den Verdächtigen entdeckten. Der Manager des Hillside würde das Bild seinem Personal gezeigt haben. Als das Essen in unsere Suite geliefert wurde, musste der Junge im Spiegel einen Blick auf Ryan erhascht haben, wahrscheinlich hatte er sogar den verdammten Colt des Mannes an seiner Hüfte gesehen.
Der Empfangsangestellte war nicht zappelig gewesen, weil ich mit dem Service unzufrieden gewesen war und vorzeitig ausgecheckt hatte, sondern weil zwei Frauen und ich Geiseln von Ryan Kessler und den Männern in seiner Begleitung waren – harten, humorlos und gefährlich aussehenden Männern.
Die große Frage war für mich, wann genau der Manager Loving angerufen hatte. War es vor zehn
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