Schutzlos: Thriller (German Edition)
denken, dass der Lifter irgendwo da draußen war. Aber wo?
Wie nahe war er?
Dreißig Meilen entfernt und vielleicht ebenso in Spekulationen darüber versunken, wo sich die Mandanten und ich befanden?
Oder war er sehr nahe, eine Meile oder weniger, und wusste, wo wir uns aufhielten, mit einer klaren Strategie, wie er die Schäfer töten und Ryan Kessler entführen konnte?
Ich kehrte zu unseren Zimmern zurück, nachdem ich mein Eintreffen vorher telefonisch bei Ahmad angekündigt hatte. Wir benutzen keine geheimen Klopfzeichen, obwohl es wahrscheinlich
keine schlechte Idee wäre. Ahmad ließ mich ein, und ich bekam eine Tasse schwarzen Kaffee aus der Mini-Küche. Der Geruch nach Essen vom Zimmerservice – hauptsächlich Zwiebeln und Knoblauch – hing in der Luft. Zwei Teller, einer leergegessen, einer, auf dem nur herumgestochert worden war, standen auf einem Tablett neben der Spüle.
»Wir brechen jetzt bald zu dem sicheren Haus auf.«
Alle sahen mich erwartungsvoll an, und mir wurde bewusst, dass ich vorhin unter rätselhaften Umständen weggefahren war. Ich erklärte ihnen jedoch nicht, wo ich gewesen war, sondern wies sie nur an, alles einzupacken, was sie bei unserer Ankunft ausgepackt hatten.
Während Maree und Joanne damit beschäftigt waren, nahm ich Ryan zur Seite. Ich konnte feststellen, dass er noch mehr getrunken hatte, aber er wirkte nicht berauschter als zuvor. »Wir haben etwas über den Fall Graham herausgefunden. Er hat die Anklage fallen gelassen.«
»Er hat was?« Der Polizist war überrascht. »Das ergibt keinen Sinn. Sind Sie sicher?«
Ich bejahte.
»Als ich Graham zum ersten Mal wegen der Scheckfälschung befragte, war er wütend … der Mann hat ein ganz schönes Temperament, kann ich Ihnen sagen. Wie sollte er die Studiengebühren seines Sohns bezahlen? Der Junge würde die Uni verlassen müssen. Alles, was er sich für seinen Sohn erträumt hatte, war zunichtegemacht. Graham bedrängte mich förmlich, den Täter festzunageln. Und jetzt das?«
»Wann haben Sie zuletzt mit ihm gesprochen?«
»Am Dienstag wahrscheinlich.«
»Dann ist zwischen Dienstag und gestern etwas Wichtiges passiert.«
»Hat er die Anzeige gestern zurückgezogen?«
»Ja.«
»Ich war den ganzen Tag in Besprechungen«, sagte Ryan. »Dieser Buchhaltungskram.« Er dachte kurz nach. »Wie es aussieht, könnte das also der relevante Fall sein.«
»Genau das denke ich auch. Irgendetwas, das Sie bei Ihren Ermittlungen herausgefunden haben, könnte zu der Person oder den Personen führen, die ihn ins Visier genommen haben.«
Er seufzte und sagte abwehrend: »Es ist schwer, Informationen über solche Leute zu bekommen. Vom Verteidigungsministerium, meine ich. Sie reden nicht mit uns kleinen Nummern.«
Ich hatte eine Ahnung, dass ihm das, was ich ihm als Nächstes erzählen wollte, nicht gefallen würde – eine wesentliche Tatsache seiner anderen Ermittlung, die ihm entgangen war. »Und wegen des Schneeballsystems …«
»Ja?«
»›Clarence Brown‹ ist ein Falschname. Er heißt in Wirklichkeit Ali Pamuk.« Ich erklärte, was Claire DuBois herausgefunden hatte, und fügte hinzu, dass sie seinen Hintergrund weiter untersuchen würde. Aber falls Ryan verärgert war, weil die Schnüfflerin einer Bundesbehörde mehr Informationen zutage gefördert hatte als er selbst, dann ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. Wie es schien, verwirrte ihn diese Wendung des Falles hauptsächlich.
»Ein legaler Namenswechsel?«
»Das wissen wir noch nicht. Können Sie sich denn vorstellen, dass Sie irgendwelche Tatsachen bei dieser Ermittlung aufgedeckt haben, die jemand unbedingt haben will?«
Er blickte an mir vorbei über meine Schulter, und ich fragte mich, worauf. Seine Frau, seine Schwägerin, die bewaffneten Wachen? Seine versteckte Whiskeyflasche? »Tut mir leid, Corte. Nein, mir fällt nichts ein. Ich werde weitersuchen, ich werde nachdenken.«
Ich sah auf meine Uhr. Ich wollte jetzt alle zu dem sicheren Haus schaffen. Ich machte mich auf den Weg zur Rezeption
und rief mir dabei wieder in Erinnerung, wer ich war: Frank Roberts von der Firma Artesian Computer Design.
Ich lächelte den Mann am Empfang an und sagte: »Wir brechen auf. Ich hätte gern die Rechnung.«
»Natürlich, Mr. Roberts.« Er druckste nervös herum, wie es Angestellte manchmal tun, wenn nicht alles wie gewohnt läuft. »Alles in Ordnung?«
Sollte heißen: Wieso checken Sie nach drei oder vier Stunden schon wieder aus?
»Oh ja, alles
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