Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall
Gast, Richie!«
Eine halbe Stunde später hatte Kluftinger eine Brotzeit im Magen, ein Telefongespräch mit Erika hinter sich und saß nun hinter dem Steuer. »Du, Richard«, begann er erneut ein Gespräch, um ein wenig gegen seine Müdigkeit anzukämpfen, »jetzt sag mal: Wenn du da bei den Nackerten deinen Urlaub machst …«
»Du meinst, FKK -Urlaub?«
»Genau. Macht’s ihr da dann alles nackert?«
»Das kommt auf das Camp an. In den echten Naturistenanlagen natürlich. Das ist ja das Schöne an dem Ganzen: nackt einkaufen, nackt Tennis spielen, nackt Tischtennis spielen, nackt essen …«
»Ja, ja, schon gut«, unterbrach ihn Kluftinger. Er schüttelte den Kopf. Wenn er sich vorstellte, er müsste sich unbekleidet zum Abendessen setzen – schönen Dank!
»In Altusried gibt es übrigens auch ein Camp, unten an der Iller. Komm doch mal vorbei, dann kannst du es dir anschauen. Ich bin da öfters. Mitglied sozusagen«, erklärte Maier und grinste seinen Chef verschmitzt an.
»Bei den Nudisten? Nein, danke, da muss ich nicht dabei sein.« Der Kommissar zermarterte sich das Hirn nach einem anderen Gesprächsthema, das ihn wach halten würde, aber ihm wollte nichts einfallen. Da übernahm Maier die Initiative: »Sollen wir was spielen?«
»Was spielen?« Kluftinger glaubte, sich verhört zu haben.
»Genau. Mach ich immer beim Autofahren. Also: Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist gelb!«
Kluftinger schüttelte den Kopf.
»Ach komm, jetzt mach halt mit!«
»Deine Zähne?«
»Nein.«
»Briefkasten.«
»Nein.«
»Deine Fußfarbe.«
»Nein.«
»Dein Frauenkoffer.«
»Richtig. Jetzt du!«
»Rosa«, brummte Kluftinger nur.
»Unser Auto?«
»Exakt.«
»Ach komm, so macht das gar keinen Spaß! Dann singen wir halt was!«
»Wir singen?«
»Ja. Hoch auf dem rosa Waahaagen, sitz ich beim … «
Kommentarlos schaltete Kluftinger das Radio ein, und Maier verstummte. Nach einem Nachrichtensender, dem Klassikprogramm, experimentellem Jazz und einem kurzen Hardrockintermezzo fand er endlich ein Programm, das ihm gefiel.
»Über den Wolken – ay ay ay ay – muss die Freiheit wohl grenzenlos sein …« , tönte es aus dem Lautsprecher, und schon bei der zweiten Strophe trällerten die beiden Beamten einträchtig im Chor. Bei Kluftinger war das vor allem der Erleichterung geschuldet, unter statt über den Wolken in Richtung Heimat unterwegs zu sein.
Schon als Kluftinger seinen Sohn in der Einfahrt stehen sah, wusste er, dass er nicht ungeschoren davonkommen würde. Nicht mit diesem Gefährt. Er hatte die Autotür noch nicht richtig geöffnet, da ging es auch schon los: »Respekt, Vatter, das find ich echt gut, dass du dich auch farblich endlich zu deiner weiblichen Seite bekennst. Ich mein, früher wär man für so was verhauen worden, aber da stehst du ja mittlerweile drüber!«
»Schon gut, Markus, tu dir keinen Zwang an. Ich sag nur so viel: Der Karren ist gar nicht mal so verkehrt.«
»Nein, klar, Vatter, und ich finde, du musst dich auch nicht schämen, dass ihr bei der Polizei jetzt auch größere Werbegeschenke annehmen dürft. Wofür war das denn? Gab’s das bei ’ner Zehnerpackung Waffeln gratis mit dazu?«
»Im Ernst, Markus, der ist nicht schlecht. Wir sind immerhin von Wien mit dem hergefahren, und …«
»Ach, du hast den auch noch selber abholen müssen? Jetzt sag mal: Seit wann machst du denn bei solchen Preisausschreiben mit?«
Kluftinger winkte ab. »Ich seh schon, mit dir kann man heut kein vernünftiges Wort reden. Mir auch wurscht. Ist die Mutter drin?«
Markus ignorierte seine Frage einfach: »Nimmst du uns denn alle mal auf eine Spritztour mit?« Er schlug sich gegen die Stirn. »Ach nein, geht ja gar nicht, haben ja nur zwei Leute Platz. Und nicht mal die, wenn man’s genau nimmt. Pfiati, Vatter!«
Kluftinger beschloss, seinen Sohn nicht weiter zu beachten, wuchtete sein Gepäck aus dem kleinen Fond und ging kommentarlos ins Haus.
»I bin dahoim«, rief er im Hausgang und ließ seinen Koffer fallen. Da er keine Antwort bekam, zog er seine Fellclogs an und machte sich auf die Suche nach seiner Frau. Im Wohnzimmer brannte Licht, und er trat ein, doch er sah nur Yumiko mit einem Buch auf der Couch sitzen.
»Griaßdi, du, wo ist denn die Mutter?«
Yumiko blickte von ihrer Lektüre auf: »Die ist doch noch in Japan.«
»Nein, nein, ich mein meine Mutter.«
Yumiko errötete und sagte lächelnd: »Ach so. Die war heut Mittag zum Essen hier, aber jetzt ist sie
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