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Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Titel: Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Klüpfel , Michael Kobr
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wieder daheim, denke ich.«
    »Nein, die Erika, ich mein: Wo ist denn die Erika?«
    »Ach, natürlich. Die ist beim Einkaufen in der Stadt. Sie hat sich das Auto von Frau Langhammer ausgeborgt.«
    »Verstehe«, brummte Kluftinger. Er hatte gehofft, seine Frau sei zu Hause, und er würde endlich wieder einmal etwas Anständiges zu essen bekommen. Nun stapfte er in die Küche, öffnete den Kühlschrank und kramte missmutig in dem spärlichen Angebot. Immerhin: Gegenüber Bydlinskis Vorräten war das hier das reinste Schlaraffenland. Schließlich entschied er sich für eine Käsesemmel und ein Glas Bier.
    Er überlegte kurz, ob er den Imbiss gleich hier in der Küche einnehmen sollte, verwarf den Gedanken aber, weil Yumiko das möglicherweise als unhöflich empfunden hätte. Andererseits: Vielleicht wollte sie ja lieber in Ruhe lesen? Er seufzte. Er kannte sich einfach zu wenig aus mit diesen Japanern. Kluftinger beschloss deswegen, sich zwar ins Wohnzimmer zu setzen, sie aber in Ruhe zu lassen. Als er in seinen Sessel geplumpst war und den ersten Schluck aus seinem Bier genommen hatte, klappte Yumiko jedoch das Buch zu und legte es auf den Couchtisch.
    »Ach, lief doff ruhig weiter«, presste Kluftinger sofort mit vollem Mund hervor, weil er befürchtete, sie wolle sich möglicherweise mit ihm unterhalten, und ihm in diesem Moment auffiel, dass sie das eigentlich noch nie so richtig getan hatten. Und er wollte nicht ausgerechnet jetzt damit anfangen, hier in der Stille des Wohnzimmers am Abend eines so anstrengenden Tages. Nicht, dass er sich grundsätzlich nicht mit ihr austauschen wollte – das würde er zu gegebener Zeit schon noch ausgiebig tun. Dann aber mit Erikas Schützenhilfe, die wusste, wie man Gespräche am Laufen hält, ohne dass zwischendurch peinliche Pausen entstehen, und die sich inzwischen bestimmt auch mit Japanern viel besser auskannte als er.
    »Nein, nein, ist nicht so wichtig, Herr … ich meine … Papa.«
    Er verschluckte sich. Aus ihrem Mund klang es fürchterlich, fand er, irgendwie antiquiert. Wie in einem Film, in dem die Männer gezwirbelte Schnurrbärte und steife Kragen tragen.
    Yumiko blickte ihn mit in ihrem Schoß gefalteten Händen an. Kluftinger hörte das Ticken der Uhr auf der Kommode, so still war es in dem Zimmer. Fieberhaft überlegte er, wie er dieses Schweigen durchbrechen könnte. »So, liest du was?«
    »Ja«, sagte sie und klopfte dabei auf das Buch auf dem Tischchen.
    »Mhm.« Er nahm einen Schluck aus dem Glas und rückte es dann umständlich auf dem Tisch zurecht. »Und was?«
    »Wie bitte?«
    »Was liest du?«
    »Ach, nur ein langweiliges Fachbuch.«
    Kluftinger schöpfte Hoffnung. Vielleicht handelte es von etwas, woraus sich ein Gespräch ergeben könnte. Er beugte sich vor: »Worum geht’s denn?«
    »Um empirische Sozialforschung. Speziell um kognitive Dissonanz.«
    Kluftinger ließ sich in seinen Sessel zurückfallen. »Soso. Ja, diese Dissonanzen, die stören mich bei der Musikprobe auch immer so!« Er blickte nach draußen. Wieder das Ticken der Uhr.
    »Und, wie … ist das Wetter in Japan grad so?«
    »Ich hab heute eine Mail von meinen Eltern bekommen. Es regnet gerade.«
    »Heu? Regnet’s da auch so viel wie hier?«
    »Ach, mal so, mal so.«
    »Ja, ja, das Wetter halt, gell.«
    Der Sekundenzeiger der Uhr kroch über das Zifferblatt .
    Kluftinger scannte den Raum nach einem möglichen Gesprächsthema ab. Als sich ihre Blicke kreuzten, lächelte Yumiko ihm verlegen zu. Dann blieb sein Blick auf seiner angebissenen Semmel liegen. »Habt’s ihr in Japan auch Käse?«, entfuhr es ihm spontan. Schon als er die Frage ausgesprochen hatte, fand er, dass sie nicht gerade besonders intelligent klang, und er fügte schnell hinzu: »Also, das ist jetzt ja eine blöde Frage. Was ich gemeint hab, war … also, ob ihr da auch so Bergkäs und Emmentaler und so habt.«
    »Nein, nein, das war gar keine blöde Frage. Tatsächlich gibt es viele Asiaten, die unter einer Laktoseintoleranz leiden.«
    »Intoleranz ist ja nie gut«, kommentierte Kluftinger, geriet dann aber ins Grübeln. Sollte Yumiko am Ende auch davon betroffen sein? Sollte sie gar das sein, was man im Allgäu ein »Verreckerle« nannte? Jemand, der anfällig für Krankheiten und auch sonst von schlechter Konstitution war? Ihr blasser Teint sprach dafür. Und was würde das für seine möglichen Enkel bedeuten? Wenn die am Ende keinen Käse … »Habt’s ihr bei euch in Japan mehr so … Gendefekte?«, wollte er

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