Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall
auf.
»Moment«, warf er hastig ein, »wie kann ich Sie erreichen?«
»Sehr gut, mein Sohn, das hätte ich beinahe vergessen.«
Er hörte, wie der andere etwas aus einer Tasche zog und es zu ihm herüberschob. »Hier ist ein Handy.«
»Ich habe selbst eines.«
»So eins nicht«, kam es ungehalten durch das Gitter. »Es ist mit einer Prepaidkarte versehen. Im Speicher findest du genau eine Nummer. Es gibt allerdings nur zwei Szenarien, bei denen du diese Nummer wählen darfst: Entweder es tritt ein Notfall ein, oder an den eben besprochenen Rahmenbedingungen ändert sich etwas. Egal was, du informierst mich. Solltest du aus einem anderen Grund anrufen, war’s das. Dann hörst du nie wieder von mir. Verstanden?«
»Ja, ja, sicher«, entgegnete er hastig. Der andere stand auf, und er hörte, wie die Tür des Beichtstuhls knarrend aufschwang. Plötzlich fiel ihm noch etwas ein. »Warten Sie! Noch eine Frage: Wie darf ich Sie nennen?« Er hörte den anderen atmen.
»Sagen wir einfach, ich bin dein Schutzpatron. Es sieht ganz danach aus, als könntest du einen gebrauchen!«
»Männer, kommt’s ihr mal alle sofort zu mir?« Auch wenn sein Chef ihm nahegelegt hatte, doch die Einladungsfunktion »in seinem Lotus« zu nutzen, wenn er eine Konferenz einberufen wolle, hielt Kluftinger die Schreien-aus-der-offenen-Tür-über-den-Gang-Methode jeglichem Lotus und sonstigen asiatischen Erfindungen weit überlegen.
Als sich – wie er fand, als Beweis der Überlegenheit seiner analogen Methode – seine Kollegen wenige Sekunden später in seinem Büro eingefunden hatten, setzte er sich zufrieden auf die Schreibtischkante.
»Was gibt’s denn so Dringendes?«, wollte Strobl wissen.
Kluftinger hob gerade zu einer Antwort an, da öffnete sich die Tür, und seine Sekretärin kam herein. Wortlos legte sie ihm einen Stapel Papier auf den Schreibtisch und wandte sich wieder zum Gehen. Er blickte flüchtig darauf und sah dann, dass ihre Ernennungsurkunde immer noch bei ihm lag. »Fräulein Henske, die können Sie gleich mitnehmen«, rief er ihr hinterher und wedelte mit dem Papier in der Luft. »Ich brauch die ja jetzt nicht …«
Er kam nicht dazu, seinen Satz zu vollenden, denn Sandy brach in ein herzzerreißendes Schluchzen aus und stürmte aus dem Zimmer.
Mit leerem Gesichtsausdruck starrte der Kommissar auf die Tür, die sie hinter sich zugeknallt hatte, dann seufzte er vernehmlich und sagte: »Schwanger, wenn ihr mich fragt.«
Sofort brach Richard Maier in ein meckerndes Lachen aus, worauf ihn die anderen Kollegen missbilligend anstarrten. »Na, ich war’s nicht«, erklärte er und hob abwehrend die Hände. Darauf wandten sich die Köpfe in Richtung Hefele, der rot anlief und polterte: »Ja, Himmelherrgott, jetzt schaut’s doch nicht so saudumm, was weiß denn ich, was die hat, ich kapier’s doch auch nicht …«
»Dabei bist du doch der Frauenversteher«, erwiderte Maier grinsend, und Kluftinger merkte, dass die Stimmung zu kippen drohte und Hefele im Begriff war, auf seinen Kollegen loszugehen. Doch Strobls »Ich weiß gar nicht, was ihr habt, das ist doch schön!« entschärfte die Situation etwas, und alle beruhigten sich wieder.
»Danke, Eugen«, sagte Kluftinger, der die ganze Aufregung auch nicht so recht verstand. Er räusperte sich und beeilte sich dann, zum eigentlichen Thema ihrer Zusammenkunft zu kommen. »Also, ich war grad bei unserem Pathologen Böhm in Memmingen«, begann er und machte eine kurze Pause. Keiner reagierte. »In seinem … Dings … seinem … Mausoleum.«
Wieder keine Reaktion. Ein bisschen Anerkennung hätte er sich schon erwartet. Keiner stieg gern in Böhms Totenreich hinab, und wenn doch, dann hatte er dafür Respekt verdient – besonders, wenn es sich dabei um ihn drehte, fand Kluftinger.
Da räusperte sich Maier: »Genau genommen …«
Kluftinger machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ach, komm, Richie, ist nicht der Rede wert. Das hätte jeder von euch genauso gemacht.«
Irritiert blickte ihn sein Kollege an. »Was ich sagen wollte, war: Genau genommen ist der Georg kein Pathologe.«
Der Kommissar zog die Augenbrauen hoch.
»Ich meine, ihr sagt das immer, aber er ist halt Gerichtsmediziner.«
Hefele, noch immer merklich in Rage, ging ihn feindselig an: »Und? Er schnippelt an Toten rum, oder?«
»Eben.«
»Wie, eben?«
»An Toten. Pathologen schnippeln an Lebenden.«
Sie blickten sich erstaunt an.
»Allerdings ist das, womit sie es zu tun haben, totes
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