Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall
Gewebe.«
»Was jetzt«, fragte Kluftinger gereizt, »tot oder lebendig?«
»Beides.«
»Sehr hilfreich. Der Böhm hat sich jedenfalls noch nie beschwert.«
»Wahrscheinlich hat er’s aufgegeben.«
Etwas aus dem Konzept gebracht, fuhr Kluftinger fort: »Es ist jedenfalls so, dass viele Morde von Hausärzten unentdeckt bleiben.«
»Von Hausärzten?«, fragte Hefele nach, der sich offensichtlich wieder beruhigt hatte.
»Ja. Das habt ihr nicht gewusst, gell?«, entgegnete Kluftinger stolz.
Seine Kollegen schüttelten den Kopf.
»Ist ja auch kein Wunder«, sagte Hefele, »die haben ja eine medizinische Ausbildung, da kann man leicht was vertuschen.«
»Nein, das vertuschen die ja gar nicht aktiv, das kriegt man nur eben gar nicht mit.« Kluftinger blickte in fragende Gesichter. Er versuchte, sich an die Ausführungen von Böhm zu erinnern. »Über eintausend Morde sind das. Also, tausend mehr, als es sonst wären, halt.«
In ein langes Schweigen hinein fragte Strobl: »Ohne Ärzte gäbe es weniger Morde?«
Maier schob nach: »Willst du uns jetzt sagen, dass lauter mordende Serienkiller-Hausärzte da draußen unterwegs sind?«
»Was? Nein, ich mein nicht Morde von Ärzten. Sie entdecken nur die Morde nicht! Herrgott, jetzt seid’s doch nicht so schwer von Begriff: Die Hausärzte finden bei der Leichenschau eben nicht die Hinweise auf ein Verbrechen, weil sie gar nicht danach suchen. Oder nicht ausgebildet sind dafür.«
Nun hellten sich die Mienen der Kollegen deutlich auf. »Jetzt wird’s Tag«, sagte Strobl, und die anderen nickten.
»Und außerdem werden eh nur fünf Prozent …« Kluftinger dachte nach. Er wusste nicht mehr genau, was Böhm ihm erzählt hatte. »Also, im Vergleich zu Österreich zumindest … die obduzieren viel mehr. Zwanzig Prozent.«
»Von was?«, fragte Maier.
Kluftinger lief rot an. »Von hundert, Herrgott. Bin ich beim Verhör oder was? Jedenfalls haben wir in Deutschland anscheinend ein Problem mit der Leichenschau.«
»Ja, darüber hab ich auch schon was gelesen«, erklärte Maier.
»Ja, ja. Sicher hast du das«, erwiderte Hefele mit übertriebenem Nicken. »Wahrscheinlich hast du’s sogar selber geschrieben.« Dann wandte er sich an Kluftinger. »Wie viele waren das noch mal?«
»Über tausend.«
»Im Jahr?«
»Ich … hm, also, ja, ja, bestimmt.«
»Und wo? In Deutschland? In Bayern? Oder bei uns?«
Kluftinger dachte angestrengt nach, dann platzte er heraus: »Zefix, sind wir hier im statistischen Landesamt oder … oder … woanders? In Deutschland, ja. Also, auf jeden Fall hab ich heute einen entdeckt, von diesen Morden.«
Jetzt bekamen die Kollegen große Augen, und Kluftinger hatte endlich ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Nun wurde es ernst. Er erzählte ihnen von der Frau und den Würgemalen. Als er fertig war, setzte er sich hinter seinen Schreibtisch und musterte sie zufrieden.
»Also, eigentlich …«
»Ja, Richie?«
»Eigentlich, streng genommen, hat ja dann der Böhm den Mord entdeckt, oder?«
Strobl biss sich auf die Lippen, und Hefele hielt sich die Hand vor den Mund.
Kluftinger setzte sich auf: »Ist denn das nicht völlig wurscht? Wer das entdeckt hat? Wichtig ist doch, dass wir hier einen Mord haben, um den wir uns kümmern müssen.«
Die anderen nickten. Nur Maier schien noch nicht zufrieden: »Ich mein ja bloß, weil du gesagt hast, du hättest ihn …«
In diesem Moment klingelte das Telefon. Auf dem Display wurde eine Mobilnummer angezeigt. Kluftinger zuckte die Achseln und hob ab.
»Ja? … Ach so, Entschuldigung, Kluftinger … Natürlich, Sie haben völlig recht, Herr Lodenbacher.«
Kluftingers Kollegen grinsten. Strobl bedeutete ihm, doch laut zu stellen, damit alle mithören konnten.
»Ich steh do grad auf der Dreifing-Räinsch«, quäkte es aus dem kleinen Lautsprecher.
»Wo sind Sie?«, fragte Kluftinger und beugte sich dabei über den Lautsprecher, worauf Strobl ihm zuflüsterte: »Beim Golfen!«
»Auf der Driving-Range, Kluftinga. Und wissen Sie, wer neben mir steht?«
Kluftinger hielt das für eine rhetorische Frage, doch als Lodenbacher nicht weitersprach, erwiderte er: »Der schwarze Mann?«
»Herr Kluftinga, lossen S’ den Blödsinn. Der Herr Landrat steht neben mir, ned?«
»Sag ich ja: der schwarze Mann«, antwortete er und sah zufrieden, wie seine Kollegen mühsam ein Lachen unterdrückten.
»Herr … Herr Kluftinga, ich hab das Handy auf Laut geschaltet.«
Der Kommissar setzte sich kerzengerade hin und lief
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