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Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Titel: Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Klüpfel , Michael Kobr
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etwas niedrigere zweistöckige Werkstatt. Das gesamte Gebäude hatte schon bessere Zeiten gesehen: Beim Wohnhaus blätterte der Putz ab, die meisten der zahlreichen Fenster waren trüb. Einige der schäbigen grünen Läden fehlten. Nur wenige Fenster waren gegen neuere Kunststoffmodelle ausgetauscht worden. Deren Scheiben jedoch waren sauber geputzt, mit Gardinen versehen, dahinter konnte man Zimmerpflanzen erahnen. Nur hier schien noch jemand zu wohnen. Der Werkstatttrakt war in einem moosigen Grünton gestrichen, im Erdgeschoss zwei alte Klapptore, eines davon halb offen, der erste Stock wirkte ungenutzt, die kleinen Fenster waren voller Spinnweben. An einem kleinen Balkon, einer Art winziger Dachterrasse auf der Werkstatt, leuchteten üppig blühende rote Geranien aus hellgrauen Plastikblumenkästen. Ein bizarrer Mix, fand Kluftinger.
    Über den Toren prangte als Relief in verwitterten grauen Lettern ein Schriftzug: Auto-Zahn, Fahrzeugreparaturen aller Marken. Inh. Herbert Zahn.
    In diesem Moment bog ein Lieferwagen mit der Aufschrift Motorrad-Center Biberach auf den Hof ein. »Himmelarsch, kann man denn nirgends in Ruhe arbeiten?«, schimpfte Kluftinger und ging auf das Auto zu.
    »Was gibt’s denn?«, fragte der Mann auf dem Beifahrersitz, nachdem sie das Fenster heruntergelassen hatten.
    Der Kommissar seufzte. Das war seine Lieblingsfrage an Tatorten. Wenn die Menschen mit diesem schaulustigen Leuchten in den Augen wissen wollten, ob es eine Sensation zu sehen gebe. Entsprechend genervt wollte er die beiden wieder loswerden. Doch als er mitbekam, dass sie sich lediglich verfahren hatten, wurde er wieder etwas freundlicher und erklärte ihnen den Weg. Gelbfüßler , dachte er kopfschüttelnd, während sie um die Ecke bogen.
    »Der Hefele hat grad angerufen«, sagte Strobl und steckte sein Handy weg. »Kommt zusammen mit Zahns Arzt gleich mal hier vorbei.«
    »Mit welchem Zahnarzt?«
    »Nein, nicht Zahnarzt, mit dem Arzt von Zahn … also, dem Doktor von den Zahns halt, dem, der den Totenschein ausgestellt hat«, erklärte Strobl umständlich.
    »Schon klar, Eugen. Kommt’s, wir gehen rein!«
    »Das dürfte ja ein Tatort ganz nach deinem Geschmack sein, oder, Klufti?«, merkte Strobl grinsend an. »Ich mein … so ganz ohne Blut und ohne Leiche!«
    Maier gluckste.
    »Ihr braucht’s gar nicht so großspurig tun! Als ob euch das nicht auch lieber wär!«, blaffte der Kommissar zurück und betrat die Werkstatthalle.
    Kluftinger fiel als Erstes der beißende, muffige Geruch auf: eine Mischung aus Öl, Lösungsmittel, Metall und dem Dreck, der sich seit fünfzig Jahren in diesem Raum angesammelt hatte. Was er dann sah, wirkte geradezu wie eine Reminiszenz an vergangene Zeiten, als in Fahrzeugen noch echte Mechanik dominiert hatte, nicht schnöde Elektronik. Eine mächtige Metalldrehbank vor der Rückwand, dazu eine Standbohrmaschine auf einer mächtigen schwarzen Werkbank. Daneben zwei riesige Gasflaschen eines geradezu antik anmutenden Schweißgerätes und in der Ecke ein großer Amboss. Hier waren früher offenbar noch Ersatzteile angefertigt, nicht nur Relais getauscht und Bordcomputer programmiert worden.
    In dem Raum waren übereck zwei alte Autohebebühnen angeordnet, Werkstattwagen mit allerlei ölig-verschmiertem Werkzeug standen herum, und an der linken Seitenwand hing ein verrostetes Schild mit der Aufschrift: Wenn das Auto nicht springt an, ruf doch gleich den Auto-Zahn. Einige Blechschilder von Reifen- oder Elektrikherstellern, deren Namen Kluftinger allenfalls noch aus seiner Jugendzeit kannte, fristeten hier ein Schattendasein und schienen geradezu darauf zu warten, von irgendeinem begeisterten Sammler wieder zu altem Glanz erweckt zu werden.
    Bei einer der Hebebühnen knieten Willi Renn und seine Mitarbeiter, junge Kollegen, die Kluftinger nur dem Namen nach kannte. Sie waren beide ordnungsgemäß mit Overalls bekleidet und erfüllten somit das Klischee vom Erkennungsdienst weit besser als Willi.
    Plötzlich hörte der Kommissar hinter sich ein seltsames Surren, das rasch näher zu kommen schien. Er drehte sich um und sah einen älteren Mann in einem Elektrorollstuhl, der sich in seine Richtung bewegte. Der Kommissar ging einen Schritt auf den Mann zu, doch der Alte schien keine Anstalten zu machen, sein Gefährt zum Stehen zu bringen. Kluftinger machte einen Ausfallschritt nach rechts, doch er war nicht schnell genug gewesen: Sein linkes Schienbein brachte den Rollstuhl mit einem heftigen Ruck zum

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