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Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Titel: Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Klüpfel , Michael Kobr
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sein. Nur wenn er mit sich allein war, konnte er dann ein wenig abschalten. Und einsame Momente waren in den letzten Tagen mehr als rar gewesen.
    Tief sog er die klare Morgenluft ein und ließ seinen Blick schweifen: Mit der vom Nebel umwaberten Ruine, dem mächtigen Steilufer im Rücken und den knorrigen Bäumen, die sich in dem lauen Lüftchen wiegten, kam er sich vor wie ins Mittelalter versetzt. Er versuchte sich gerade vorzustellen, wie die Zinnen des Turms vor ihm von Rittern in eisernen Rüstungen besetzt waren, da holte ihn das Brummen des Polizeihubschraubers ins Hier und Jetzt zurück. Vor dreißig Jahren war es gewesen, als an einem ähnlichen Frühherbsttag die ersten Teile des Schatzes gefunden worden waren. Und er selbst war einer der Ersten gewesen, der die Schmuckstücke, um die jetzt so viel Wind gemacht wurde, nach den Jahrhunderten, in denen sie von aller Welt vergessen unter der Erde gelegen hatten, in Augenschein hatte nehmen dürfen. Wie hätte er damals ahnen können, dass ihn der Fund, den er aufgenommen hatte, noch einmal auf diese Art und Weise einholen würde?
    Kluftinger malte sich aus, wie es vor sich gegangen sein musste, als dieser Kohler, damals noch ein junger Mann, auf einmal eingebrochen war – und samt Goldschatz vom Bellen seines Hundes gerettet wurde. Nur einen Bruchteil des gesamten Schatzes hatte Kohler damals eingepackt und auf dem Tresen der Polizeistation ausgebreitet. Einmal war Kluftinger sogar nach dem Dienst hier herausgefahren, um zuzusehen, wie die Archäologen nach dem Rest gruben – mit seinem nagelneuen, glänzenden Wagen und einer strahlenden Erika auf dem Beifahrersitz.
    Ein Bellen riss ihn aus seinen Gedanken. Er wandte sich um und sah, dass ein kleiner Hund kläffend aus dem Wald auf ihn zuraste. Einige Meter dahinter lief ein Mann mit einer Leine in der Hand. Kluftinger drückte den Rücken gegen das Geländer und hob schützend die Hände in Brusthöhe. Er war kein Hundefreund – und die Größe der Tiere spielte dabei keine Rolle. Sicherlich würde das Herrchen gleich etwas wie Der tut nichts! oder Der will nur spielen! rufen.
    »Thor, Fuß!«, hörte Kluftinger aus der Ferne den Mann, und tatsächlich machte der Rauhaardackel kehrt. Erst als der Mann aus dem Dunst des Waldrands getreten und näher herangekommen war, erkannte ihn der Kommissar: Es war Andreas Kohler. Auch er schien vor dem Trubel der Eröffnung noch einmal die Ruhe zu suchen. Immerhin war ihm heute eine besondere Rolle zugedacht: Er würde die Monstranz in einem feierlichen Akt enthüllen.
    »Ja, der Herr Kommissar! Halten Sie auch noch ein bissle Einkehr vor dem großen Festakt?«
    Kluftinger nickte. Thor hatte sich neben seinem Herrchen auf den Boden gesetzt.
    »Aber jetzt sagen Sie: Ich hab Sie heute Morgen mit einem anderen Auto kommen sehen, haben Sie den Passat jetzt doch nicht mehr?«
    Kluftinger lächelte gequält. »Nein. Irgendwann muss man sich wohl auch von den treuesten Gefährten trennen. Aber wem sag ich das, Sie haben ja auch nicht mehr denselben Hund wie damals!«
    Eine Weile standen die beiden Männer nebeneinander und schwiegen. Als sie plötzlich hörten, dass die Kapelle zu spielen begann, wurde ihnen klar, dass sie die Zeit vergessen hatten.
    »Kommen Sie, Herr Kohler, wir müssen!«, sagte Kluftinger, und die beiden Männer machten sich auf den Rückweg.
    Ein ohrenbetäubendes Knacken in seinem Minilautsprecher ließ den Kommissar zusammenzucken. Unwillkürlich legte er eine Hand schützend auf sein Ohr. Dann ertönte Maiers Stimme: »Hallo, wo bist du?«
    »Herrgott, willst du, dass ich taub werde?«, polterte der Kommissar.
    »Entschuldige mal, ich hab dich nicht mehr gehört. Ist dein Gerät kaputt?«
    »Glaub ich nicht. Vielleicht war ich nur zu weit weg.«
    »Weg?« Maiers Stimme klang schrill. »Du kannst doch jetzt nicht weggehen.«
    »Immer mit der Ruhe, ich bin ja wieder da.« Er konnte die Schnappatmung seines Kollegen hören.
    »Wenn hier jeder macht, was er will, dann können wir auch gleich wieder heimfahren.«
    Kluftinger ignorierte Maiers Lamento.
    »Hallo?«
    »Ja?«
    »Ich hab was gesagt.«
    »Ich hab’s gehört«.
    »Und?«
    »Wir fahren nicht heim.«
    »Ich würd jetzt gern regelmäßig von allen einen Zwischenlagebericht haben. Das wird dann immer so ablaufen: Überwachungswagen an Parkplatz, wie ist die Lage? «
    »Alles ruhig.«
    »Wer war das?«
    »Ich.«
    »Wer?«
    »Hefele.«
    »Nein, du bist Parkplatz.«
    »Also, Parkplatz ruhig.«
    Maier

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